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Auf ins Xinhua-Silberdorf!

Ein Besuch im Xinhua-Silberdorf

Oder: Vielleicht reicht auch ein halber Tag

Liebe Leserschaft,

viele von euch wissen es, andere vielleicht nicht, andere haben es schon vergessen (denn es ist eine Menge Zeit vergangen): Im August war ich für zwei Wochen in China und hatte dort sehr viel Spaß. Die Route führte über Frankfurt nach Chengdu und von dort entlang eines Kringels durch ein paar Orte in Yunnan, ehe sie wieder in Chengdu (und dann in Frankfurt) endete. Es war großartig und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr möchte ich die nächste China-Reise planen. Naja.

Aber eins nach dem anderen, daher zurück zum Sommer. Nach ein paar sehr schönen, geselligen und leckeren Tagen in Chengdu düste ich also nach Kunming, ebenfalls für diverse Wiedersehen und tolles Essen. Dann begann der erwähnte Kringel. Erste Station: das Xinhua Silverware Village 新华银器小镇 bei Heqing 鹤庆, zugegebenermaßen etwas beliebig ausgewählt, weil es auf dem Weg zwischen zwei anderen Orten liegt, die ich besuchen wollte.

Die Gegend

Das Dorf Xinhua liegt zwischen Dali und Lijiang im Westen Yunnans. Die meisten Menschen gehören hier zur ethnischen Gruppe der Bai 白族, die in dieser Gegend jahrhundertelang ein eigenes Königreich beherrschten, ehe es von den Mongolen erobert wurde. Die Hauptstadt dieses Königreiches hieß Dali, gleichlautend mit seiner Hauptstadt. Dali gibt es auch heute noch, ein Ort, der leider nicht unbedingt ein Paradebeispiel für nachhaltigen Tourismus wurde, aber nichtsdestotrotz sehenswert ist.

Bai-Architektur in Xinhua
Ausblick aus dem Hotelzimmer auf den Innenhof im Bai-Stil

Nördlich von Dali liegt die Stadt Heqing, und gleich neben Heqing wiederum befindet sich das Dorf Xinhua mit einer Bevölkerung von ca. 5.000 Menschen. Auch von diesen sind die meisten Bai, aber nicht allzu weit im Norden beginnt eine Region, in der historisch vor allem Naxi leb(t)en – richtig geraten, eine andere ethnische Gruppe, die im Übrigen ebenfalls ein eigenes Königreich hatte (Nanzhao, das nach seinem Zerfall im Königreich Dali aufging).

Das Dorf

Xinhua also ist ein Bai-Dorf und v.a. für seine Silberschmiedekunst bekannt, die bei den Bai eine lange Tradition hat. Seit den 1990ern unterstützt auch die Regierung die hiesige Silberschmiedekunst, z.B. durch Subventionen und ein Programm für die Weitergabe dieses traditionellen Wissens. Und, zumindest entsteht doch recht schnell dieser Eindruck bei einem Spaziergang durch Xinhua, durch wirtschaftliche Förderung.

Häuser mit Schmieden und Geschäften (zu diesem Zeitpunkt allerdings schon geschlossen)

Denn letztlich reiht sich in Xinhua eine Schmiede an ein Silbergeschäft an eine Schmiede an ein Silbergeschäft. Ab und an mal entdeckt man Restaurants oder Convenience Stores, aber der Fokus scheint doch auf dem Silber zu liegen. Den ganzen Tag erklingt allerorts das „Klack-Klack-Klack!“ von Hammer auf Meißel, der das Silber bearbeitet. Seien es Ketten und Ohrringe oder Teekannen und Becher: Hier gibt es echt alles aus Silber. Zu durchaus stolzen Preisen, aber naja, es ist halt: Silber.

Der Besuch

Sagte ich da gerade „den ganzen Tag“ und „allerorts“? Nun, nicht ganz. Xinhua ist, wie ich feststellen durfte, wohl eher ein Ziel für einen mehrstündigen Ausflug und viel mehr dann auch nicht. Bei schönem Wetter. Während der Schulferien.

Ankunft in Xinhua. Noch ohne Regen

Bei meinem Besuch, der auch eine Übernachtung umfasste, waren die ersten fünf Minuten bewölkt, aber (von oben) trocken. Dann setzte recht hartnäckiger (Niesel-)Regen ein, denn im August ist noch Regenzeit in Yunnan. Die Schulferien waren gerade vorbei und die Tagestouris flüchteten in Restaurants für ein Mittagessen, ehe sie die Rückreise nach Heqing, Lijiang oder Dali antraten.

Auf einmal also war alles menschenleer. Und verregnet. Auch ich suchte also mit Sack und Pack Obdach in einem Imbiss, wo es u.a. ein sehr leckeres eingelegtes Gemüse gab, das wohl nur in dieser Ecke Chinas wächst – der Chefin des Lokals zufolge zumindest. Irgendwann war dann ein Check-in im Hotel möglich und der Weg frei für eine Erkundung Xinhuas ohne Rucksack. Aber mit Regenschirm.

Verregnete Freilichtbühne in Xinhua
Freilichtbühne im Regen

Tja, was soll ich sagen. Es ist definitiv ein hübscher Ort, auch wenn hier natürlich viel Geld in Restaurierung und eventuellen Neubau floss. Die Häuser sind im traditionellen Bai-Stil gebaut: weiße Mauern, geschwungene Dächer, dekorative Elemente in Grau und Blau. Der Dorfkern ist komplett autofrei und ein Spaziergang durch die Gassen daher schon sehr nett. Hier und da stehen Infotafeln und Monumente zum Thema Silber, irgendwo stieß ich auch auf eine Freilichtbühne. Vor dem Stadttor von Xinhua findet sich ein „Grasmeer“, eine Art Sumpfsee also, wo wohl auch seltene Vögel und andere Tiere wohnen (ungestört, wie es in Xinhua nun mal so ist).

Am Grasmeer von Xinhua
Am Grasmeer von Xinhua

Was Dali und Lijiang vielleicht zu viel haben, erlebte Xinhua zumindest an diesem Nachmittag etwas zu wenig: Menschenmassen. Oder überhaupt Menschen. Für Fotos natürlich super. Für einen Magen, der versorgt werden will, weniger. Restaurants schließen hier wohl nach dem Mittagessen und öffnen erst am Folgetag wieder, wie ich über diverse Apps recherchierte. Nach einigem Gesuche fand sich noch eine geöffnete Convenience Store, deren Sortiment zwar etwas schmal war, immerhin aber ein paar Kekse und Eistees umfasste, die ich mir dann zum Abendessen gönnte. Der Inhaber wirkte hinreichend überrascht über Kundschaft.

Was aber tatsächlich schön war (neben dem Dorf als solchem und den Fotos leerer Straßen): die Ruhe. Nach durchaus actionreichen Tagen in Chengdu und Kunming (und dem Beginn eines Schnupfens aus dem Nachtzug) tat das süße Nichtstun echt gut. Es wäre natürlich eine Überlegung gewesen, noch fix für ein paar Stunden nach Heqing zu fahren oder Xinhua zu verlassen und die Natur in der Umgebung zu erkunden (hätte es nicht geregnet…), aber diese Dosis Entschleunigung war irgendwie auch sehr angenehm. Auf eher durchgetakteten Reisen, zu denen meine China-Urlaube meist zählen, sind solche (halben) Tage auch irgendwie wichtig und ein enorm zur Entspannung beitragender Teil des Aufenthalts.

Reisepraktisches

Wer also auch mal nach Xinhua möchte, kann auf zwei Möglichkeiten zurückgreifen:

1. Mit dem Zug oder Flugzeug (!!) nach Heqing und von dort per Bus oder Taxi nach Heqing, das sicherlich auch einen Aufenthalt wert ist. Von dort aus (ebenso wie von Lijiang und andernorts aus) lässt sich gut ein Tagesausflug nach Xinhua unternehmen.

Bahnhof von Heqing. Von hier geht es per Bus und Taxi zum Xinhua Silberdorf
Bahnhof von Heqing. Von hier geht es per Bus oder Taxi zum Xinhua Silberdorf

2. (mein Ansatz): Heqing einfach mal Heqing sein lassen. Also: ebenfalls mit dem Zug / Flugzeug nach Heqing und von dort per Bus / Taxi direkt nach Xinhua.

Heqing liegt sehr nah am Flughafen von Lijiang (ich glaube sogar noch dichter als Lijiang selbst) – wer also keine Flugangst hat, kann gut auf diese Option zurückgreifen. Alternativ liegt Heqing an einer reisetechnisch durchaus attraktiven Zugstrecke von Kunming über Dali, Heqing und Lijiang nach Shangri-la. Busse gibt es natürlich auch, das hat noch mehr lokalen Charme, kann aber durchaus schaukeln.

Eure eine Investition in einen guten Regenschirm empfehlende Charlotte

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