Oder: Niemand ist immun
Ein Paradebeispiel für Beeinflussung unseres Willens lässt sich von Montag bis Freitag am Zentrum für Chinesisch als Fremdsprache beobachten. Es ist eigentlich ganz simpel.
Schritt 1: Man nehme eine beliebige Zahl ausländischer Studenten, vorzugsweise mit gesegnetem Appetit, und gehe sicher, dass sich ihre Unterrichtsräume in Hörweite der Lautsprecher des Campusradios befinden.
Schritt 2: Man warte von 8.30 Uhr bis 11.58 Uhr, also von Unterrichtsbeginn bis kurz vor Schluss, wenn alle hungrig geworden sind und sich in die Mensa sehnen.
Schritt 3: Um 11.58 Uhr spiele man revolutionäre Lieder.
Schritt 4: Um Punkt 12.00 Uhr höre man auf, es klingelt, der Unterricht ist aus, die Studenten eilen hungrig in die Mensa .
Diesen Vorgang wiederhole man über Wochen hinweg täglich.
Das Ergebnis? Letztlich sind wir alle Pawlow’sche Hunde. Soll heißen: Nach ein paar Wochen dieser Art der Konditionierung hört man nichts lieber als Liedgut über den Klassenkampf, da es zugleich bedeutet, dass es bald Essbares gibt. Nichts sehnt man mehr herbei als patriotische Gesänge, deren Sänger vor Stolz geschwollene Brust man förmlich hören kann, und bald füllt sich ja auch der eigene Magen. Es gibt dann nichts Schöneres als das Ertönen von Lobliedern auf das Proletariat.
Eure so oder so hungrige Charlotte