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die Bibliothek der KMUST: hier wird gebüffelt. Zumindest zwei Wochen vor der Klausur

Semesterende an der KMUST

 Oder: Welches Gefühl hattest du nach dem Lesen dieses Buches?

Liebe Leserschaft,

der Juni ist angebrochen und mit ihm der Beginn sowohl der Regen- als auch der Klausurenzeit. Erstere äußert sich mit Gewittern und Kälte und lässt sich mit Gummistiefeln bekämpfen, gegen letztere muss man wohl zu härteren Mitteln greifen und jedes Sozialleben aussetzen lassen und auf akademische Schönwetterwolken hoffen.

Das chinesische Semester beginnt und endet etwa einen Monat vor dem deutschen, man kann also Anfang Juli die Ferien einläuten. Zwischen mir und den Ferien liegen derzeit drei (oder vier, das steht noch nicht ganz fest) Prüfungen und drei Essays(/kürzere Hausarbeiten/längere Aufsätze – wie man das jetzt auch nennen mag).

Prüfungen sind letztlich genauso, wie ich es aus Deutschland gewohnt bin, die Chinesen haben das Bulimielernen im Prinzip erfunden. Ich kann noch gar nicht einschätzen, ob und wenn ja wie ich sie bestehe, aber es gibt wohl nur einen Weg, das herauszufinden, nämlich, sie abzulegen. Ich habe das Gefühl, in Deutschland nie dankbar genug dafür gewesen zu sein, dass alle Vorlesungen in meiner Muttersprache abgehalten wurden und ich somit nie Zeit mit Nachschlagerei verbrachte oder einfach mal in der Uni nix kapierte. Aber das steht auf einem anderen Blatt.

Von den Essays ist eines ein book report (wie heißt das eigentlich auf Deutsch?), für den ich sogar ein englisches Buch aussuchen durfte. Für ein anderes Essay soll man eine der 20 Fragen beantworten, die über irgendein chinesisches Moodle oder sonstwas verschickt wurden, bei dem ich bedauerlicherweise nicht angemeldet bin, da muss ich wohl nochmal nachfragen 😀 Das dritte hat die eher kryptische Arbeitsanweisung „Gefühl nach dem Lesen eines Buches“, scheint wohl auch eher Richtung book report zu gehen, aber was das genau ist, hat sich mir noch nicht so ganz erschlossen.

Für die Essays sind die formalen Anforderungen immer gleich: handgeschrieben und nicht weniger als 3000 Zeichen (eine obere Begrenzung vorzuschreiben, ist wohl nicht üblich). Bei dem book report entsprachen 3000 Zeichen in etwa 8 A4-Seiten (wobei meine Schrift auch eher groß ist), die anderen habe ich noch nicht fertig geschrieben. Woher genau die Anforderung, von Hand zu schreiben, kommt, weiß ich noch nicht so ganz. Anfangs schätzte ich, auf diese Weise sollen die Studenten sich die Fähigkeit bewahren, von Hand zu schreiben, denn das geht im Technologiezeitalter verloren. Manchmal passiert mir das auch – wie schrieb sich doch gleich dieses verflixte Zeichen? Man hat es gefühlt tausendmal gelesen, aber schreiben? Fehlanzeige. Es ist ein bisschen, wie Deutschen manchmal entfällt, ob es nun Apetit, Appetit, Apettit, Apetitt, Appettit, Apettitt oder gar Appettitt heißt… wenn man zu lange darüber nachdenkt, sieht es irgendwie alles falsch aus.[1] Auf jeden Fall wurde mir dann bewusst, dass der Grund auch ein anderer sein kann, und zwar ist es in China (anscheinend) nicht unüblich, fertige Hausaufgaben aus dem Internet auszudrucken. Wer sie noch einmal von Hand abschreibt, hat immerhin irgendwas geleistet, und sei es, den Text tatsächlich zu lesen.

Und Abschreiben übt auch, es kann helfen, sich Dinge zu merken. Davon sind auch chinesische Dozenten überzeugt. Uns hat dieses Schicksal noch nicht ereilt, aber chinesische Jurastudenten müssen früher oder später ganze Gesetzesbücher abschreiben. Bislang wurde es uns nur ans Herz gelegt, aber der Tag, an dem ernst gemacht wird, kann auch nicht mehr weit sein.

Ein anderer, kleinerer Text, den ich zum Semesterende abgeben muss, fällt in diese Kategorie. Unsere Dozentin diktierte eine Hausaufgabe, die ich lange nicht verstand, es ging um das Raussuchen eines beliebigen rechtswissenschaftlichen Artikels, seinen Autor, das Jahr der Veröffentlichung und den Namen der Zeitschrift. Mehr nicht. Alle schienen zu wissen, worum es ging und nahmen es als die selbstverständlichste Hausaufgabe der Welt hin. Ich hakte dann doch nochmal nach, in der Annahme, einen Artikel zusammenfassen zu sollen. Anscheinend war die Aufgabe dann aber, sich einen Artikel auszusuchen, Autor, Jahr und Zeitschrift dazu zu notieren und anschließend die erste Seite abzuschreiben. Na gut.

Ihr seht, es läuft alles irgendwie, aber nun ruft die Lernerei. Wenn alles geschafft ist, hauche ich dem Blog wieder etwas Leben ein – wenn ich dann nicht zu sehr mit Basischillen in den Ferien beschäftigt bin. Ich hoffe, es geht euch gut und wünsche allen, die Klausuren vor sich haben, viel Erfolg!

Eure sich auf die Ferien freuende Charlotte

[1] der Vollständigkeit halber: Die korrekte Schreibweise lautet Appetit.

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