Oder: Steine in Deutschland
Was machen eigentlich Auslandsstudenten in China? Sie studieren, sie lernen, sie essen, sie reisen. Und sie führen in regelmäßigen Abständen Gespräche mit interessierten Chinesen. Hier nur mal ein Beispiel der Dialoge, die sie häufig führen. So geschehen vorletzte Woche in Peking.
Auslandsstudentin (hat Hunger bekommen und begibt sich in ein Restaurant gegenüber ihres Hotels, um Essen zu fassen) Nihao…
Kellner: Nihao, was möchstest du?
Gast (ca. 50, zum Kellner): Schau mal, ein Ausländer.
Auslandsstudentin: Ich hätte gerne einmal den Reis mit Aubergine in Sojasoße, zum Mitnehmen, bitte.
Kellner: Alles klar. (verschwindet in der Küche, um seiner zweiten Beschäftigung als Koch nachzugehen.)
Gast: (verblüfft) Du kannst ja SOOOO GUT CHINESISCH! Wirklich fließend! Woher kommst du?
Auslandsstudentin: Äh. Äh, Aus Deutschland.
Gast: Deutschland….(grübelt) Ihr seid doch alle…
Auslandsstudentin: (lauert auf das Ende des Satzes. Viele Chinesen lieben Sätze mit „alle“, z.B. „ihr Deutschen seid/habt/macht/…. doch alle xyz“. Welchen Hasen mag ihr Gegenüber wohl dieses Mal aus dem Hut zaubern? Es gilt, sich auf alles gefasst zu machen.)
Gast: Ihr…. mögt doch alle Steine?
Auslandsstudentin: Äh… Steine?
Gast: Ja! Steine! (malt mit den Händen etwas in die Luft, was alles zwischen einem Seestern und einem Barhocker darstellen könnte.) Steine!!
Auslandsstudentin: Ja… wir…mögen Steine. (irgendwas muss man ja sagen).
Gast: Ich habe Bilder davon gesehen. Auf einem war ein Pferd abgebildet, auf einem anderen ein Mönch.
Auslandsstudentin: (spürt, wie ihr das Gespräch entgleitet) Ja…die gibt es in Deutschland. (Grabsteine? Monumente? Denkmäler?)
Gast: Ja. Und… was machst du hier?
Auslandsstudentin: Ich studiere in Kunming. (fühlt sich wieder auf sicherem Terrain).
(Es folgt das übliche Gespräch, das die Auslandsstudentin mittlerweile im Autopilot abspulen kann und das sich um Studienfach, Studienwahl, Studienabschluss und dergleichen dreht. Die Auslandsstudentin ist erleichtert, nicht mehr zu schwimmen).
Auslandsstudentin (sieht sich nun an der Reihe): Und… woher kommen Sie?
Gast: Aus Taiyuan, in Shanxi.
Auslandsstudentin: Und was machen Sie hier?
Gast: Ich hole was ab. (Damit ist alles gesagt.) Wie alt wirst du eigentlich dieses Jahr?
Auslandsstudentin: Dieses Jahr 25.
Gast: Und…wann heiratet ihr in Deutschland?
Auslandsstudentin: Also eigentlich… ist das etwas anders als in China, es gibt kein bestimmtes Alter, in dem man heiraten soll. Manche Leute heiraten mit 20, andere mit 30 oder auch 40…
Schweigen.
Gast: (hat sich von dieser viel zu liberalen Antwort erholt.) Ich habe zwei Söhne, warte mal… (zückt sein Portemonnaie und zeigt der Auslandsstudentin zwei Fotos.) Das hier ist mein ältester Sohn… (weist auf ein Foto eines etwas grimmig dreinblickenden Mannes Mitte 30 nebst ebenfalls etwas grimmiger Frau, bei der es sich wohl um die Gattin handelt.)
Auslandsstudentin: (weiß nicht so ganz, welche Richtung dieses Gespräch nun einschlagen soll.) Ah. Äh. Schön.
Gast: Und hier… (zeigt auf ein anderes Bild eines ebenso grimmigen jüngeren Mannes) das hier ist mein jüngerer Sohn.
Auslandsstudentin: Aha. Und…was macht ihr Sohn so?
Gast: Er studiert Tanz.
Auslandsstudentin: (kann sich diesen jungen Herrn irgendwie nicht über eine Bühne wirbelnd vorstellen, aber man täuscht sich) Oh! Tanz, das ist ja toll.
Gast: Mja… Sag mal… (lässt seinen Blick zwischen dem Foto des Tänzers und der Auslandsstudentin hin- und herschweifen) Hast du…eigentlich einen Freund?
Auslandsstudentin: (bestimmt) Ja! Habe ich!
Gast: Ähh… achso. Ein chinesischer Freund wäre sicher gut für dich.
Auslandsstudentin: (hat diesen Satz schon x-mal gehört und weiß bis heute nicht, was sie darauf antworten soll. Schweigt).
Gast: Naja. (Klappt das Portemonnaie zu. Seufzt.) Hast du eine Handynummer? Oder WeChat?
Auslandsstudentin (prophylaktisch: ) Nein!
Gast: Wirklich nicht??
Auslandsstudentin: Nein! Äääh… ich habe kein Handy….
Gast: (verdutzt. Die spinnen, die Deutschen.) Na gut. Öhm. Kann ich ein Foto mit dir machen?
Auslandsstudentin: (erstaunt, dass diese Frage so spät erst kommt). Ja, natürlich.
Es folgt dann noch das obligatorische gemeinsame Foto, offensichtlich NICHT mit dem Handy der Auslandsstudentin, dann ist das Essen fertig. Die Auslandsstudentin wünscht einen guten Abend und macht sich aus dem Staub.
Tja, die Chinesen. Ein irgendwie lustiges Volk, anders kann man es nicht sagen.