Oder: Manche machen’s so, manche eher so
Eine gewisse Masterplanung beginnt sich abzuzeichnen, und dazu (und wohl überhaupt zum Leben) gehören Sprachnachweise diverser Art, in meinem Fall also Englisch (IELTS) und Chinesisch (HSK). Beide haben nicht allzu viel gemeinsam (außer, dass ich selber nicht wirklich an Sprachzertifikate dieser Art glaube), zumindest nicht hierzulande. Ein Vergleich.
Beliebtheit (in China)
IELTS: Morgens halb acht in Peking: Eine nicht enden wollende Schlange Prüflinge marschiert in das Hauptgebäude der Fremdsprachenuni Peking, bewaffnet mit einem Admission Ticket für die Prüfung und einem Ausweisdokument, denn es wurde ihnen untersagt, irgendetwas Anderes in den Händen zu halten. Sie werden im Gebäude nach Nummern sortiert, weitergeleitet, umgeleitet, umhergeleitet, ehe sie ihren Platz einnehmen können. Die Auslandsstudentin unter ihnen landet in einem Hörsaal mit 49 anderen Teilnehmern, und dies ist nur einer der Räume, in denen geprüft wird.
HSK: Morgens halb neun in Kunming: Gähnende Leere vor der Kunming University of Technology. Die Auslandsstudentin fragt sich, ob sie sich auch nicht in Zeit oder Ort vertan hat, aber es scheint zu stimmen. Schließlich erscheint eine Dame mit HSK-Ausweis und fragt die Auslandsstudentin, ob sie für die Prüfung hier sei, was diese bejaht. „Ah ok“, meint darauf die Dame, „dann komm mal mit. Du bist heute die einzige. Eigentlich machen wir die Prüfung erst ab 20 Teilnehmern. Aber…naja. Hier entlang.“ Schulterzucken.
Identitätsfeststellung
IELTS: Bei der Online-Anmeldung ist ein Foto hochzuladen, am Tag der Prüfung wird ein zusätzliches gemacht, Ausweise werden gründlichst auf Echtheit überprüft, und natürlich wird genau abgeklopft, ob die angemeldete Person auch tatsächlich die ist, die die Prüfung ablegt.
HSK: „Bist du das?“ Blick aufs Foto im Admission Ticket, auf dem die Auslandsstudentin irgendwie fast gar nicht wie sie selbst und eher wie Christiane F. aussieht. Anscheinend findet bei der Anmeldung für HSK der Filter „Bahnhof Zoo“ Anwendung. „Ok. Dann fangen wir mal an.“
Strenge der Aufsicht
IELTS:
– Tasche: abzugeben.
– Wasser: Etikett entfernen und durch ein Post-it mit Prüflingsnummer ersetzen, dann abgeben. Wer trinken möchte, hebt die Hand, lässt sich die Flasche bringen und konsumiert ihren Inhalt unter schärfster Beobachtung einer der Aufseher. Siehe „Abschreib-Paranoia“.
– Metalldetektor vor der Prüfung: Und ob.
HSK:
– Tasche: „Äh…stell die mal…hier hin.“
– Wasser: geht.
– Metalldetektor vor der -wie bitte?!
Abschreib-Paranoia
IELTS: „Verdächtiges Verhalten“ umfasst z.B.
– Blick nach oben
– Blick nach vorne
– Blick nach unten
– Blick zur Seite
– Blick aus dem Fenster
Drei Aufseher vom British Council laufen im Hörsaal auf und ab und behalten jeden Blick, jede Bewegung, jeden Atemzug der Prüflinge im Auge. Man weiß ja nie.
HSK: Es macht Aufsicht, wer gerade Zeit hat und zwischen den einzelnen Levels von Candy Crush auch noch auf den Prüfling blicken kann. Scheint zu laufen.
Zeit
IELTS: Die Prüfungsbögen werden verteilt, wehe jemand fasst ihn nur an, bevor dazu der Befehl gegeben wurde. Wer nach „Stop writing now“ noch ein T mit einem Strich versieht, bekommt eine Warnung.
HSK: „Du hast jetzt noch zehn Minuten.“ – „Die vorherige Aufseherin meinte, weil wir später angefangen haben, bekomme ich fünf Minuten extra.“– „Ach so. Dann noch fünfzehn.“ Gelangweilter Blick aufs Smartphone. Was schreibt die Deutsche da eigentlich so lange?
Tja, was schrieb sie? HSK war, denke ich, nicht gerade meine sinologische Sternstunde (gelinde ausgedrückt), aber jetzt kann man wohl nur abwarten. Und Earl Grey oder Pu’er Cha trinken.
Eure geteste Charlotte
PS: Wer Fragen zu IELTS oder HSK hat, kann sie mir gerne stellen! Einfach eine Nachricht oder einen Kommentar schreiben.
Foto von Pixabay