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Alles easy...oder so

Flugphobiker: Eine Typologie

Oder: War das Geräusch da gerade normal?

Liebe Leserschaft,

viele von euch reisen eifrig durch die Weltgeschichte, und das ist supercool. Die allermeisten werden dies zumindest für weiter entfernte Ziele per Flugzeug tun, was sicherlich die effizienteste Art der Fortbewegung ist.

Leidet ihr unter Flugangst? Wird euch mulmig, wenn das Flugzeug zu hüpfen beginnt oder es auf einmal irgendwie seltsam riecht? Wie manche von euch spätestens seit dem jüngsten Eintrag wissen, leide ich unter leichter Flugangst. Von daher, liebe Flugphobiker: Ihr seid nicht allein, ich kann euch so gut verstehen. Ohnehin ist Unwohlsein bis hin zu Angst vor dem Fliegen verbreiteter, als man annehmen würde, in jedem Flugzeug sitzt immer noch eine Handvoll Menschen, der es genauso oder gar schlimmer geht als euch. Glaubt ihr nicht? Achtet auf die Zeichen. Hier meine persönliche Typologie der Flugphobiker.

Der betont Entspannte

Der betont Entspannte findet sich überall. Er kichert bei holprigen Starts, schnallt sich als Letzter an, wenn die entsprechenden Zeichen aufblinken, und sucht sich bei Turbulenzen ganz langsam einen Film im Entertainmentprogramm aus. Doch schaut man genauer hin, entdeckt man die eine oder andere Schweißperle auf seiner Stirn, und er prüft vielleicht einen ganz kleinen Moment zu lange, wie ruhig oder beunruhigt das Bordpersonal wirkt. Wenn man so darüber nachdenkt, hat es der betont Entspannte vielleicht am schwersten: Er muss seine Angst, als Flugphobiker enttarnt zu werden, und seine Angst vor einem Flugzeugabsturz irgendwie jonglieren. Das stresst natürlich sehr. Meinem Eindruck nach neigen Amerikaner zu diesem Typus Flugphobiker.

Ideal des betont Entspannten… (https://pixabay.com/en/yoga-yoga-pose-pose-body-fitness-2150140/)
…und wie es in ihm wirklich aussieht (https://pixabay.com/en/edvard-munch-scream-painting-terror-1332621/)

Der Frager

Der kleine Bruder des betont Entspannten ist der Frager. So rein routinemäßig fragt er die diversen Flugbegleiter, warum es plötzlich nach Kerosin riecht oder wie lange wir eigentlich noch fliegen, schließlich kommt man ja manchmal etwas früher als geplant an. Fragen kostet nichts und eine gewisse Neugier darf jeder Mensch natürlich an den Tag legen, auch beim Fliegen, das ist klar. Und wer weiß: Vielleicht ist der Frager ja der Erste, ja der Einzige gar, der dieses seltsame, knirschende Geräusch von unten, aus dem Innenleben des Flugzeugs, vernommen hat – eine Beobachtung, die eventuell Leben retten könnte, darunter natürlich sein eigenes. Häufig in China anzutreffen.

Der Panikschieber / Der Schwebekünstler

Der Panikschieber bin ich. Man erkennt uns am panischen Gesichtsausdruck, nassen Händen, die sich für den Fall des Absturzes sicherheitshalber schonmal an den Armlehnen festhalten, sowie der kompletten Unfähigkeit, irgendetwas anderes zu tun, als auf komische Veränderungen beim Flugzeug zu achten. Anders ausgedrückt: Verlieren wir die Konzentration, kracht das Flugzeug umgehend zur Erde. Das führt dazu, dass wir auch auf transkontinentalen Flügen weder essen noch schlafen können und nur in äußersten Notfällen zur Toilette stolpern. Im Entertainmentprogramm interessiert uns nur die Air Show. Bei unserer heiß ersehnten Ankunft sind wir völlig übermüdet, ausgehungert, fertig mit der Welt und ein bisschen genervt darüber, dass wir so rein gar keine Anerkennung dafür erhalten, dass wir nur kraft unseres Geistes das Flugzeug so lange in der Luft gehalten haben.

Der Fromme

Dem Schwebekünstler nicht ganz unähnlich ist der Fromme, denn auch seine Konzentration bewahrt die Mitreisenden vor einem Absturz. Diese Konzentration enthält aber auch ein übernatürliches Element, denn der Fromme versteht sich aufs Beten und alles Transzendentale. Man erkennt den Frommen am Murmeln von Mantras, am Auspacken von Gebetsketten, an religiösen Gesten aller Art. Auf meinem jüngsten Flug nach Kairo saß ich auf dem Hinflug neben einem Herrn, der bei der kleinsten Turbulenz im Entertainmentprogramm den Koran als Hörbuch anwarf; auf dem Rückflug neben einem anderen Herrn, der bei Start und Landung meditativ irgendetwas rezitierte, ich schätze mal religiöser Natur. Der Fromme schlägt natürlich zwei Fliegen mit einer Klappe: Er tankt zum einen Kraft, diese ganze Aktion nervlich durchzustehen, und erhält zum anderen gleichzeitig höheren Beistand in seinem Unterfangen, lebend an sein Ziel zu gelangen. Wie hoch die Dunkelziffer des Frommen im Flugzeug ist, lässt sich nur schwer sagen.

Der Igel

Der Igel blendet, so gut es eben geht, die Tatsache aus, dass er sich in einem Flugzeug befindet. Sobald er beim Boarding seinen Platz eingenommen hat, richtet er sich häuslich ein und packt seine diversen Utensilien zur Abkapselung von der Außenwelt aus: Decke, Ohrstöpsel, Schlafmaske, und nein, ich möchte zum Essen nicht geweckt werden. Vorstufen zum Igeldasein sind Versuche des Ablenkens durch fieberhaftes Lesen oder gebanntes Filmschauen. Glaubt mir, es nützt alles nichts: Ihr werdet zum Igel.

Sicher ist sicher (https://pixabay.com/en/hedgehog-hedgehogs-hibernate-2074144/)

Wer die Igeltechnik wirklich beherrscht, kann bestimmt sehr entspannt fliegen, entspannter wahrscheinlich als die anderen Typen des Flugphobikers. Doch diese perfektionierte Selbstbeherrschung (man könnte sagen: Selbstüberlistung) kostet sicherlich viel Mühe und deutlich mehr Konzentration als z.B. die Techniken des Frommen oder des Schwebekünstlers.

Liebe Leserschaft, erkennt ihr euch in einem der Flugphobikertypen wieder? Wie geht ihr mit Flugangst oder der ebenfalls unschönen „Flugmulmigkeit“ um?

Eure sehr gerne auf festem Boden verweilende Charlotte

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Cover Image über Pixabay

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