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Vielleicht ist es doch mehr als ein Hola

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Oder: Locker-flockig begrüßen

Liebe Leserschaft,

seid gegrüßt aus Peru! – und damit hüpfen wir gleich in medias res, denn dieser Tage lerne ich viele neue Leute kennen, was natürlich schön und ganz interessant ist. Entsprechend wächst täglich die Zahl der Menschen, die ich begrüße, weil ich sie schon gaaaanz lange (anderthalb Wochen) kenne oder aber weil ich sie gerade kennen gelernt habe.

Jede Kultur hat ihre Art und Weise, eine andere Person, die man entweder zum ersten oder wiederholten Male trifft, anzuerkennen. Die Deutschen sind große Händeschüttler. Die Franzosen geben einander Küsschen auf die Wange. Die Luxemburger auch, aber eins mehr. Chinesen nicken freundlich (oder manchmal auch nicht freundlich, aber das ist eine andere Frage). Recht lebhaft ist mir auch ein Leipziger Thailändisch-Kurs in Erinnerung, in dem wir uns in vier verschiedenen Winkeln zu verbeugen lernten, je nachdem, mit wem man gerade spricht und in welchem Verhältnis man selber zu dieser Person steht. Peruaner geben sich, den Franzosen sehr ähnlich, ein Küsschen auf die Wange und außer- …

Halt. Die Deutschen? Die Franzosen? Wie um alles in der Welt passt das denn zu einem Blog, der zumindest bemüht darum ist, ein differenziertes Bild von China, neuerdings Peru und überhaupt der weiten Welt abzuliefern? Natürlich, liebe aufmerksame Leserschaft, ist das zu kurz gedacht. Denn so simpel ist derlei nie, und das macht es Menschen, die zu einer gewissen social awkwardness neigen (hust) auch nicht immer leicht.

Beginnen wir mal in Gefilden, die den meisten von uns vertraut sind: Deutschland. Klar, man gibt sich die Hand, mitunter wird es sogar erwartet. Bei mehreren Leuten am besten in der richtigen Reihenfolge und lieber nicht über Kreuz und generell bitte nicht zu schlaff, das kann ganz schlecht ankommen, wenn man Pech hat, und während sich die Hände finden, idealerweise noch Blickkontakt herstellen und ganz easy lächeln. Bloß nicht nervös werden, dann werden die Hände nass und man wird noch nervöser und begibt sich, wenn eine größere Anzahl Hände beschüttelt werden will, in den gefürchteten Teufelskreis des Handschweißes, der gar nicht gut fürs Selbstbewusstsein ist, wenn die unmittelbar folgende Disziplin „Smalltalk“ lautet.

Aber ich schweife ab. Händeschütteln ist natürlich auch in Deutschland nicht überall angesagt. Nicht mit den Eltern, nicht mit den Geschwistern. Aber wenn einem auf einmal auf Familienfeiern entfernte Cousins gegenüberstehen, dann natürlich schon, was denn auch sonst. Und da wir dabei sind: Mir sind diverse Familienfeiern der einen Katzensprung von Frankreich entfernt lebenden Hälfte meiner Familie noch sehr lebhaft in Erinnerung, auf denen niemand so recht wusste, ob man sich jetzt Küsschen auf die Wangen gibt oder nicht, und wenn ja, wie oft, denn ein paar Luxemburger tummeln sich auf diesen Anlässen auch immer.

Man achte mal darauf, wie man wen begrüßt. Freunde umarmen wir, ebenso Bekannte oder Freunde von Freunden, die irgendwie dazugestoßen sind und die man nicht ausgrenzen mag. Vorgesetzten geben wir die Hand, aber auch wieder nicht immer. Wer kuhl ist, hat irgendeinen homie handshake mit anderen kuhlen Leuten. Wer in einer Kneipe auf seine Buddies trifft, klopft zur Begrüßung auf den Tisch. Und so weiter.

Zurück zum Thema. Peru ist in dieser Hinsicht ähnlich: Es gibt irgendwie einen Standard und sehr viele Abweichungen von ihm. Die Handvoll Peruaner, die ich vor meiner Abreise und bei meiner Ankunft in Lima kennen gelernt habe, begrüßen einander und auch ihre deutschen Schützlinge mit einem Küsschen rechts und einem links. Außer man grüßt sich beiläufig oder ist besonders dicke miteinander oder verwandt oder, oder, oder. Als Faustregel hatte ich mir aber also „Küsschen rechts, Küsschen links“ gemerkt, bis ich nach einer sehr sehr langen Busfahrt hier ankam, abgeholt wurde – und nur ein Küsschen bekam. Und auch die folgenden Begrüßungen beschränkten sich auf eines. (Glaubt mir, das kann ausgesprochen awkward werden, wenn man noch zu einem zweiten Küsschen auf der anderen Seite ansetzen will. Wirklich ausgesprochen awkward.)

Natürlich gibt man sich in Peru auch manchmal die Hand, in aller Regel die rechte, aber wohl irgendwie auch nicht immer. Das alles gilt es also zu navigieren, ehe man überhaupt ins Gespräch gekommen ist, aber derlei muss man handhaben (pun intended) wie saarländische Familienfeiern mit und ohne Küsschen: Wenn man sich nicht sicher ist, immer schön weiterlächeln und sich überhaupt von seiner herzlichsten Seite zeigen (gilt natürlich generell zu allen Anlässen). Es alles ein bisschen locker nehmen, soziale Konventionen sind halt letztlich auch nur das und nicht mehr. Das entspannt doch manches und färbt auch auf das Gegenüber ab.

Zu jeder Begrüßung zählt natürlich auch das eine oder andere gesprochene Wort. In Peru begrüßt man sich mit „hola“ (hallo) oder, wie mir zumindest erscheint häufiger, „buenos días“ (guten Tag). Eine Falle, in die ich als Deutsche gerne mal zu tappen drohe, ist auf Fragen wie „¿qué tal?“ oder „¿cómo estás?“ (wie geht’s dir?) tatsächlich antworten zu wollen. Üblich ist es aber, einfach ebenfalls mit „¿qué tal?“ zu antworten, ein bisschen dem britischen „how do you do?“ ähnelnd (sagt man das überhaupt noch?) oder generell dem „how are you?“, auf das die Antwort eigentlich immer „fine“ ist, egal ob hier irgendwas fine ist oder nicht und warum. Und da mein Hirn sich dieser Tage mit einem gewissen Sprachenmischmasch konfrontiert sieht, habe ich auch schon Leute mit dem chinesischen „Hast du schon gegessen?“ begrüßt, immerhin auf Spanisch, denn mit dieser Frage begrüßt man sich eben in China sehr oft (Essen ist wichtig!).

Bislang ist aber noch nichts so richtig schief gegangen und generell sollte man nie vergessen, dass die meisten Menschen nett sind und derlei als gar nicht so schlimm sehen wie man es vielleicht selbst tut (und all jene, die wegen eines verpatzten Handgebens nichts mehr mit einem zu tun haben wollen, bergen ohnehin kein allzu großes Freundschaftspotenzial). In aller Regel hilft ein Lächeln und die Grundeinstellung, dass es echt schön ist, hier in Peru zu sein und Leute von hier kennen zu lernen.

Liebe Leserschaft, umarmt ihr oder gebt ihr die Hand? Und hattet ihr schonmal das Gefühl, bei einer Begrüßung irgendwie in ein interkulturelles Fettnäpfchen getreten zu sein? Schickt eine Nachricht oder schreibt einen Kommentar!

Eure nicht auf Händeschütteln bestehende Charlotte

Cover Image über Pixabay

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