Heute mal ein paar Gedanken zu einem sehr großen Wort: INTERKULTURELLE KOMMUNIKATION. Man sollte dieses Wort gewiss nicht inflationär verwenden („una cerveza, por favor“ zählt nicht), doch sollte man seine Bandbreite dennoch nicht unterschätzen. Sie ist spannend, fasziniert und macht Spaß, doch ab und an verheddert man sich auch im interkulturellen Netz.
Aufmerksame Blogleser haben an dieser Stelle wohl schon einige Anekdoten, die man in die Schublade „Interkulturelle Kommunikation“ sortieren könnte, gelesen. Unvergessen sind die Dialoge zum deutschen und chinesischen Humor, zur vornehmen Blässe oder zum Konzept „Lieblingsfach“. Was ihnen allen gemein war, ist, dass die vom Sprecher gesendete Botschaft vom Gegenüber ganz anders als beabsichtigt aufgenommen wurde, und dies aus Gründen der unterschiedlichen kulturellen Wurzeln der zwei Gesprächsteilnehmer.
Man kann sagen: Naja, aber wir sind doch alle Menschen, das kriegt man schon hin, und das ist ja auch richtig. In den allermeisten Fällen dieser Art löst sich der zwischen beiden Gesprächsteilnehmern stehende Widerspruch in Gekicher auf, manchmal entspinnt sich noch ein nettes Gespräch, die Story wird auf shenghuoshenghuo archiviert und dann abgehakt.
Schwieriger wird es, wenn es um Geschäfte geht. In Zeiten, in denen jedem, der mal mit Stäbchen gegessen hat, die „Chinakenner“-Krone aufgesetzt wird, erleben „China-Knigges“ und andere Literatur zum Chinageschäft einen gewissen Boom. Und auch „der Chinese als solcher“ hat sich schon mit europäischen Gepflogenheiten auseinander gesetzt und vielleicht sogar Englisch gelernt. Deutsche Geschäftsleute wissen, dass der Vertrag erst unterschrieben wird, wenn sie für die chinesischen Partner, mit einem gewissen Pegel, versteht sich, beim Karaoke Werke Celine Dions oder der Backstreet Boys geschmettert haben. (Dass Erstere ein tragisch gesunkenes Schiff, so gesehen ein völlig gescheitertes Unterfangen, besingt, spielt dabei keine Rolle). Chinesische Geschäftsleute wissen wiederum, dass der Deal zu platzen droht, wenn sie den Delegationschef nach Bruttogehalt, Ehe oder Diktatoren der deutschen Vergangenheit ausfragen. Auch wenn sich manchmal ein gewisser Übereifer feststellen lässt – derlei scheint auch noch halbwegs zu laufen, wenn man die eine oder andere „Regel“ verinnerlicht.
Nicht ganz leicht ist aber inhaltliche Gestaltung der Kooperation, oder besser gesagt: Es gibt gewisse Unterschiede in der Herangehensweise an neue Projekte. Mir wurde es mal so erklärt: Chinesen denken eher vom Großen zum Kleinen und Deutsche vom Kleinen zum Großen. Im Moment mache ich ein Praktikum in der Weltmetropole Frankfurt/Oder, und zwar in einer Firma, die Kooperationen zwischen China und Europa ermöglicht. Und ich stelle fest: Da ist was dran.
Um es mal zu erklären:
Vom Großen zum Kleinen: Chinesen geht es zuallererst um die Frage, ob etwas grundsätzlich möglich und das Gegenüber interessiert ist. Wenn der Geschäftspartner ein Projekt gut findet und wenn es überhaupt realisierbar ist, spricht man über die Einzelheiten und am Ende der ganzen Sache steht ein Vertrag.
Vorteil Groß-Klein: Man spart Zeit – wozu über Details reden, wenn das Gegenüber sowieso kein Interesse hat?
Nachteil Groß-Klein: Der Teufel steckt manchmal halt doch im Detail. Es kann sein, dass man etwas nicht besprochen hat, was später der Zusammenarbeit im Wege steht.
Vom Kleinen zum Großen: Der Deutsche will ganz sicher sein. Bevor er ein Ja oder ein Nein gibt, möchte er wissen, worauf er sich mit einem Ja einließe.
Vorteil Klein-Groß: Man trifft keine vorschnellen Entscheidungen, man hat Stabilität und Sicherheit.
Nachteil Klein-Groß: Inflexibilität. Von vornherein steht fest, was wie gemacht wird und es kann nur schwer später geändert oder angepasst werden.
Die deutsche Klein-Groß-Wirtschaft ist stark, die chinesische verdankt ihren Boom wohl der Groß-Klein-Denkweise, von daher ist wohl kein System besser als das Andere. Und eine gewisse Logik ist ja auch in beiden zu erkennen.
Etwas kompliziert wird es nur, wenn beide Muster aufeinandertreffen. Warum wollen die Deutschen das alles jetzt schon wissen? Wieso geben die Chinesen keine Antworten auf ganz normale Fragen? Beruhigenderweise klappt es doch immer irgendwie, ich weiß gar nicht, wie meine Chefin diesen Spagat schafft. Aber am Ende sind alle glücklich. Und singen Celine Dion.
Eure karaokeaffine Charlotte