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Noch mehr Eindrücke aus Yunnan

Liebe Leserschaft,

hier nun die letzte Gruppe an Yunnan-Bildern, die euch hoffentlich gefallen. Vielen Dank für eure Geduld und Treue bei den Yunnan-Berichten, ich habe mich sehr gefreut, dass sie so viele Menschen gelesen haben. Aus
Zeitgründen (die Uni macht sich allmählich wieder bemerkbar…) können hier nur kurze oder längere Texte als Bildunterschriften stehen. Viel Spaß beim Ansehen und Lesen!

Eure sich noch in Fotografie übende Charlotte

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Lijiang 丽江

Lijiang ist eine sehr interessante Stadt, die leider in den letzten Jahren ziemlich dem Tourismus zum Opfer gefallen ist. So richtig kommt man an ihr aber nicht vorbei, wenn man zum Lugu-See will (und das wollte ich), also muss man da wohl buchstäblich durch.

Im Bus von Lanping nach Lijiang traf ich Zhao, die sehr nett war und einem ungewöhnlichen Beruf nachging: Sie macht Werbung für Schönheits-OPs, was in China immer beliebter wird und einem kulturelle Unterschiede in Hinblick auf ästhetisches Empfinden ganz gut vor Augen führt: In Zhaos Sortiment sind unter anderem Nasenvergrößerungen und eine OP, durch die eine Lidfalte über dem Auge hinzugefügt wird, wie sie die meisten Europäer von Natur aus haben und die meisten Asiaten eben nicht (übrigens hat dieser Eingriff es mittlerweile bis nach Nordkorea geschafft). Jedenfalls war ich dann mit Zhao und einem Lijianger Freund von ihr, seines Zeichens Casinobetreiber (ein in China nicht so ganz erlaubtes Berufsfeld), zu Abend essen. Sie erzählten ein bisschen von Lijiang und wie es sich verändert hat, dass man früher das Wasser aus dem neben Lijiang gelegenen See trinken konnte und heute nicht mehr, dass
dieser See künstlich vertieft wurde, damit er auch in Trockenzeiten Wasser enthält, denn welcher Tourist blickt schon gerne in einen ausgetrockneten, staubigen See? Über den Strom reicher Chinesen aus anderen Teilen des Landes, die in Lijiang Hotels und Reisebüros eröffnen und damit ordentlich Geld verdienen, was von der ursprünglichen Bevölkerung (größtenteils Angehörige der Naxi 纳西族) niemand zu Gesicht bekommt, und wie die Chinesen von außerhalb erst die Naxi ausgenutzt, dann in die Armut getrieben und wie sie ihnen zum Schluss gezeigt haben, wie sie Touristen über den Tisch ziehen können, mit dem Ergebnis, dass sie über die Naxi schimpfen, sie seien nicht nur faul, sondern auch noch hinterhältig.

Das bringt einen natürlich ziemlich ins Grübeln, vor allem, wenn unauffälliges Nachfragen im Hostel ergibt, dass dessen Betreiber aus Chongqing stammt, also nicht aus Lijiang, ja, noch nicht einmal aus Yunnan.Hier jedenfalls ein Foto von Zhao und mir vor einem Wunschbaum in Lijiang, an dem man seine Wünsche auf eine Holztafel schreiben und an den Baum hängen kann – scheint so eine Mischung aus Han-Tradition und Dongba-Religion (also der Religion der Naxi) zu sein.

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Lijiang 丽江

Meistens wird man durch die Straßen der Lijianger Altstadt mehr geschoben als alles andere, wie ich auch wieder mit Zhao feststellen musste.

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Lijiang 丽江

Es gibt aber auch leere Ecken…durch irgendein Wunder…

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Lugu Hu 泸沽湖

Nächste Station: Lugu Hu, der Lugu-See, heilig für die Mosuo, die nicht als eigene ethnische Gruppe anerkannt sind, sondern den Naxi zugeordnet werden, auch wenn sie mit diesen wenig gemein haben. Der See soll aus Tränen der Göttin Gemu entstanden sein und zugleich als ihr Spiegel dienen. Auch für die Wissenschaft ist der See nicht ganz uninteressant, denn er wächst jedes Jahr um ein paar Zentimeter, ohne dass irgendjemand so wirklich wüsste, weshalb (irgendwie sowas).

Die Mosuo sind v.a. bekannt für ihr Matriarchat: In einem Clan leben alle Geschwister zusammen sowie die Kinder der Frauen. Wichtige Entscheidungen werden von Frauen gefällt, wobei der Clanmutter besonders viel Macht zukommt.

Wer jedoch in der Hoffnung zum Lugu-See fährt, hier ein florierendes Matriarchat erleben zu können, der täuscht sich leider, denn im Wesentlichen floriert hier eines: die Tourismusindustrie. Und die Kinderarbeit. Es war alles ziemlich anstrengend, sodass ich tatsächlich früher als geplant abgereist bin.

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Lugu Hu 泸沽湖

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Lugu Hu 泸沽湖

Ein heiliger Hügel der Mosuo, deren Religion stark von der tibetischen Kultur beeinflusst wurde.

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Lugu Hu 泸沽湖

Mosuo-Häuser

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Lugu Hu 泸沽湖

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Lugu Hu 泸沽湖

Trotz allem: Hübsch ist er ja!

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Lugu Hu 泸沽湖

Der See am frühen Morgen

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Lugu Hu 泸沽湖

Ein paar Mitreisende aus dem Hostel. Und: Ich bediene zum ersten Mal einen Selfie-Stick. Reisen erweitert echt den Horizont!

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Lugu Hu 泸沽湖

Der See am Tag meiner überstürzten Abreise, denn diesen Tourismuszirkus hielt ich einfach nicht mehr aus (und ich dachte eigentlich immer, ich sei da abgehärtet, aber nunja). Es gestaltete sich eher schwierig, da der Busbahnhof in einem anderen Dorf gelegen war und alle Touristen direkt aus Lijiang in angeheuerten Taxis in das Dorf fuhren, in dem ich war, wie ich es auch auf der Hinreise über mein Hostel gebucht hatte. Aus diesem Grund gestaltete sich die Reise zum Busbahnhof eher schwierig. Also hieß es warten. Und noch mehr warten. Und noch mehr warten. Preise erfragen. Und noch mehr warten. Es ist ein bisschen wie das Hotel California: You can check out any time you like, but you can never leave.

Schließlich hatte eine gefühlt zehnköpfige Familie, einige von ihnen von oben bis unten in Trachten irgendwelcher Phantasieminderheiten gekleidet, Erbarmen, und nahm mich in ihrem angeheuerten Minivan zum Busbahnhof mit, kostenlos. Wie soll man sich dann fühlen? Einerseits verkörpern solche Leute alles, was mir an der Yunnaner Tourismusindustrie missfällt: Oberflächlichkeit, Exotisierung, Verschwendung, keine Nachhaltigkeit. Manchmal geradezu eine merkwürdige Art des Kolonialismus. Andererseits stünde ich ohne sie heute noch in meiner Fake-Jack-Wolfskin-Hose und dem Rucksäckchen am See rum, auf der Suche nach einer Möglichkeit, zum Busbahnhof zu gelangen. Reisen macht Spaß.

Am Busbahnhof selber gab es eigentlich nur Lijiang als Ziel, doch hatte ich den Touriswahnsinn dort schon zu Genüge erlebt, und so fuhr ich nach einem Blick in den Yunnan-Atlas auf einem speziell ausgehandelten, eher inoffiziellen Ticket (hust) nach Ninglang, das auf dem Weg nach Lijiang liegt, und wo keinerlei touristische Infrastruktur, ja generell wenig Infrastruktur zu erwarten war, eine perfekte Erholungskur also.

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Ninglang 宁蒗

Ninglang! Eine Stadt der Yi, der größten ethnischen Gruppe Yunnans nach den Han. Man sieht in Ninglang sehr viele Frauen in Yi-Kleidung, einige von ihnen Pfeife rauchend. Auch wenn der Lugu-See mit seinem historisch gewachsenen Matriarchat viele, viele Berge entfernt liegt, strahlen die Frauen hier ein ungeheures Selbstbewusstsein aus, während die Männer sich ziemlich zurückhalten. Zumindest meinem Eindruck nach.

Auch wurden meine Hoffnungen, was die Abwesenheit der Tourismusindustrie betraf, nicht enttäuscht: Ninglang ist ein kleines bisschen dreckig, ein kleines bisschen unordentlich und in meinem gammeligen Hotelzimmer krabbelten irgendwelche kleinen Insekten rum. So muss das sein.

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Ninglang 宁蒗

Es fließt hier und da auch etwas Geld: Hier werden Gebäude im Yi-Stil (oder irgendwas, was man dafür halten könnte) neu gebaut.

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Ninglang 宁蒗

Außerdem traf ich, während ich einen Wassermelonensaft schlürfte, eine Ninglanger Heldin namens Yang, die nach den Sommerferien die Senior High School anfängt und nach dem Abitur Rechnungswesen studieren will.

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Ninglang 宁蒗

Eine heimliche Sammelleidenschaft von mir: zweisprachige Schilder in Yunnan, hier Yi und Mandarin in Ninglang.

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Weishan 巍山

Nächste Station: Dali, alte Hauptstadt des Königreichs Dali der Bai. Leider auch vom Tourismus überrollt, aber wie so oft in China kann man die Touristenströme meiden, im Falle Dalis, indem man nach Weishan fährt, das „Dali bevor der Tourismus kam“.

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Weishan 巍山

Der Konfuziustempel in Weishan

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Weishan 巍山

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Weishan 巍山

Bai-Architektur in Weishan

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Weishan 巍山

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Dali 大理

Katholische Kirche in Dali, wo es auch einige Nonnen leben. In Dali und auch in anderen Teilen Yunnans gibt es einige Christen, christliche Dörfer und christliche ethnische Grupppen, ein Überbleibsel kolonialen Vordringens vor Jahrhunderten.

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Dali 大理

Dann habe ich noch meine ehemalige Tandempartnerin Nicky aus Dali besucht, hier mit ihrem Sohn.

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Yuanmou 元谋

Anschließend fuhr ich nach Yuanmou, bekannt für seinen Erdwald, der sich durch
äääh…irgendwelche faszinierenden Vorgänge in der Erde gebildet hat.

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Yuanmou 元谋

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Yuanmou 元谋

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Luquan 禄劝

Letzte Station der Yunnan-Reise sollte (!) Luquan bilden, von wo aus ein Tagesausflug durch die umgebenden Dörfer geplant war, die bekannt sind für ihre Kirchen und Kapellen der Yi (eine…richtig geraten: ethnische Minderheit). Luquan selbst ist eigentlich auch ganz hübsch, in der Stadt gibt es auch so einen kleinen Hügel, auf den man kraxeln kann und von dem man eine schöne Aussicht über Luquan hat.

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Luquan 禄劝

Besagter bekraxelter Hügel

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Tanglang 汤郎

Erste Kirche: Tanglang, ein Dorf mit sage und schreibe drei Straßen. Ich habe auch mal reingelinst, nur probte da gerade ein Chor, es war ein bisschen awkward.

Die erste Kirche blieb auch die letzte Kirche, denn der ganze Aufenthalt nahm eine unerwartete und doch ganz unerwartete Wendung, die einen eigenen Eintrag verdient hat. Es erschien nämlich Mister Biao.

Was waren die Highlights?

  • Shuigouwa, das mandschurische Dorf (erstens: es existiert, zweitens: die Leute dort und auf dem Weg dorthin waren unfassbar nett und hilfsbereit)
  • Teetrinken mit dem Wachmann in Lanping
  • die Schönheitsoperationenvermarkterin Zhao undihr namenloser Freund der Casinobetreiber – definitiv zu den schillenderen Gestalten auf dieser Fahrt gehörend
  • die gelungene Flucht vom Lugu-See nach Ninglang
  • natürlich: der unvergessene Mister Biao

Nebenbemerkung: Chinesisch lernen lohnt sich!

Leute, fahrt nach Yunnan, es ist wunderschön dort und man kann so unendlich viel sehen und erleben. Aber macht es auf die vernünftige, möglichst nachhaltige Art und Weise, respektiert die vielseitige Kultur der Provinz und glaubt nicht alles, was einem die Yunnaner Tourismusbehörde weismacht. Und genießt es!!

Eure wieder in Sturmfestunderdverwachsen weilende Charlotte

 

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