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Chinesische Tierkreiszeichen

Oder: Warum Tiger und Hunde sich manchmal doch verstehen

Es war einmal eine Ratte, die wollte einen Fluss überqueren. Und zwar nicht nur irgendeinen Fluss und nicht nur zu irgendeinem Zweck, sondern im Rahmen eines Wettbewerbs, den der Jadekaiser ausgerufen hatte: Zwölf Tiere sollten bei dieser Flussüberquerung gegeneinander antreten, und die Reihenfolge ihrer Ankunft sollte für immer die Reihenfolge bestimmen, nach denen einzelne Jahre benannt sind. Wer also zuerst ankam, dem winkte die Position als erstes Tier im zwölfjährigen Zyklus der Jahre. Natürlich wollte jedes Tier möglichst weit vorne sein, und die Ratte sah doch recht starker Konkurrenz ins Auge: ein Hund war dort, ein Rind, ein Tiger und sogar ein Drache. Ein Drache! Was also tun?

Liebe Leserschaft,

Frohes neues Jahr! 2020 ist zwar längst angebrochen, aber dies hat nur in einem der unzähligen Systeme, mit denen Menschen Tage zu Monaten und Monate zu Jahren anordnen, eine Bedeutung. In einem anderen Kalender als dem westlichen/christlichen schreiben wir heute den ersten Tag des ersten Monats eines neuen Jahres, nämlich des Jahres der Ratte. Ihr ahnt es: Die Rede ist vom chinesischen Mondkalender (nongli 农历 oder yinli 阴历), das heute Neujahr markiert, auch bekannt als Frühlingsfest (chunjie 春节).

Das elfte Tier des Tierkreises: der Hund. Hier zwei schläfrige Passagierinnen auf dem Weg von Shijiazhuang nach Zhangjiakou (Hebei), 2013. Mit Gurt!

Der chinesische Mondkalender ist von nicht ganz unwesentlicher Bedeutung. Ich möchte nicht allzu weit ausholen (meine große Stärke, hust), es sei daher nur gesagt, dass dieser 353 bis 355 Tage in zwölf Monaten umfasst, die sich strikt nach dem Mond richten. Einige dieser Tage sind günstig oder ungünstig für bestimmte Tätigkeiten, z.B. Reisen, Hausbau, Handel oder auch profane Aktivitäten wir Friseurbesuche. Auch wenn solche (nennen wir sie mal kosmischen) Ratschläge heute weniger bedeuten als früher, so halten sich in China doch mehr Menschen daran, als einem ursprünglich klar sein mag. Sei es, um sein eigenes Wissen um diese Tradition zu zeigen, sei es, weil potentielle Geschäftspartner hierauf Wert legen, sei es aus dem berühmten und von mir sehr geschätzten chinesischen Pragmatismus heraus („Schaden wird’s nicht“), sei es, weil die Oma das halt so will – wenn der Mondkalender es empfiehlt, sollte man es sich zumindest mal durch den Kopf gehen lassen.

So weit, so verworren. Was aber hat es mit den ganzen Tierkreiszeichen (shuxiang 属相) auf sich? Warum war letztes Jahr das Jahr des Schweines und dieses Jahr das Jahr der Ratte und nicht andersherum? Heute versuchen wir mal, den Tierkreiszeichen ein bisschen auf den Grund zu gehen. Bear with me. (Witz erkannt?)

Eine Frage der Reihenfolge

Unsere Ratte hat sich mittlerweile, clever wie sie ist, eine List überlegt, schnell ans andere Ufer zu gelangen und somit ganz vorne im Zyklus der Tierkreiszeichen zu landen. Sie blickt das Rind mit ihren Knopfaugen an, und fragt ganz freundlich, ob es sie nicht bei der Flussüberquerung mitnehmen könnte. Lieb wie das Rind ist, willigt es ein, und nimmt bei der Gelegenheit auch noch die Katze mit.

Fangen wir ganz am Anfang an. Welche Tierkreiszeichen gibt es überhaupt? Wie beschrieben, sind es zwölf an der Zahl: Ratte, Rind, Tiger, Hase, Drache, Schlange, Pferd, Ziege/Schaf, Affe, Hahn/Huhn, Hund und Schwein.

Und zwar in genau dieser Reihenfolge, denn jedes Jahr des Mondkalenders ist einem Tier zugeschrieben. Überträgt man dieses System auf die westliche Zeitrechnung, ergibt sich ungefähr (ja, ungefähr) folgendes Bild:

Ratte: 1936, 1948, 1960, 1972, 1984, 1996, 2008, 2020

Rind: 1937, 1949, 1961, 1973, 1985, 1997, 2009, 2021

Tiger: 1938, 1950, 1962, 1974, 1986, 1998, 2010, 2022

Hase: 1939, 1951, 1963, 1975, 1987, 1999, 2011, 2023

Drache: 1940, 1952, 1964, 1976, 1988, 2000, 2012, 2024

Schlange: 1941, 1953, 1965, 1977, 1989, 2001, 2013, 2025

Pferd: 1942, 1954, 1966, 1978, 1990, 2002, 2014, 2026

Ziege/Schaf: 1943, 1955, 1967, 1979, 1991, 2003, 2015, 2027

Affe: 1944, 1956, 1968, 1980, 1992, 2004, 2016, 2028

Hahn/Huhn:1945, 1957, 1969, 1981, 1993, 2005, 2017, 2029

Hund: 1946, 1958, 1970, 1982, 1994, 2006, 2018, 2030

Schwein: 1947, 1959, 1971, 1983, 1995, 2007, 2019, 2031

Und warum nur ungefähr? Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass diese Angaben natürlich nur so grob passen, denn der Mond- und der Sonnenkalender, wie der westliche Kalender auf Chinesisch heißt (yangli 阳历), sind aufgrund der unterschiedlichen Anzahl an Tagen nicht ganz deckungsgleich. Das chinesische Neujahr ist immer im Januar oder Februar des Sonnenkalenders, was bedeutet, dass man bei Menschen, die in diesen Monaten geboren sind, manchmal nicht so ganz genau weiß, welchem Tierkreiszeichen ihr Geburtsjahr zuzuordnen ist. Wer also z.B. am 24.1.2020 geboren ist, gehört noch zum Jahr des Schweins; wer den 25.1.2020 als Geburtsdatum hat, ist hingegen schon dem Jahr der Ratte zuzurechnen.

Tierkreis, aber next level

Unsere Ratte schippert gemütlich, warm und trocken auf dem Rücken des Rindes über den Fluss, da erblickt sie das andere Ufer. Auch die Katze hat bemerkt, dass die Ankunft bevorsteht, und schaut siegesgewiss auf das Festland. Das kann die Ratte natürlich nicht dulden. Kurzerhand schubst sie die Katze ins Wasser. Dass von diesem Tag an die Nachfahren der Katze die Nachfahren der Ratte jagen werden, nimmt sie natürlich in Kauf. Was tut man nicht alles, um ganz vorne im Zyklus der zwölf Jahre zu stehen.

Bislang mitgekommen? Sehr gut, denn jetzt wird es ein bisschen abgespaced. Man kann die Tierkreiszeichen nämlich noch mit anderen chinesischen Vorstellungen verknüpfen. Faustregel: Alles hängt mit allem zusammen.

Das zweite Tier des Tierkreises: das Rind. Xiahe (Gansu), 2013.

Erstens lässt sich jeder Mensch nicht nur aufgrund seines Jahres einem Tierkreiszeichen zuordnen, sondern auch auf der Grundlage des Monats, in dem er geboren wurde, und ebenso der des Tags und der Stunde. Auch das geschieht immer auf der gleichen Reihenfolge der zwölf Tierkreiszeichen basierend. Die Kombination aus Jahr, Monat, Tag und Stunde heißt Vier Säulen (shengchen bazi 生辰八字). Somit ist jeder Mensch nicht nur einem, sondern vier Tierkreiszeichen zugehörig, die sich natürlich auch doppeln können. Jedes dieser Tierkreiszeichen sagt etwas über Charakter, Zukunft usw. des Einzelnen aus.

Bringen wir nun noch die Fünf-Elemente-Lehre (von der zuletzt im Artikel über Farben in China die Rede war) und die Lehre von Yin und Yang in die Mischung. Die Fünf-Elemente-Lehre kennt die Elemente Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, und ordnet alle natürlichen, unnatürlichen und irgendwie auch übernatürlichen Phänomene in diese fünf Elemente ein, die auch Wandlungsphasen genannt werden. Planeten, Farben, Wochentage – sie alle passen irgendwie in die Lehre der Fünf Elemente. Etwas bekannter dürfte das Konzept von Yin und Yang im Westen sein, das auf Dualität und Komplementarität fußt: Alle Dinge sind entweder bewegt, positiv und männlich (Yang) oder ruhig, negativ und weiblich (Yin) – eine Einteilung, an der meine innere Feministin doch etwas zu knabbern hat, aber lassen wir das.

Yin, Yang, das fünfte Tier des Tierkreises sowie ein Tier, das den Tierkreis leider haarscharf verpasste. Baoshan (Yunnan), 2017.

Nun kann man alle Jahre einem der fünf Elemente und auch Yin oder Yang zurechnen. Letztere bleiben dabei für jedes Jahr gleich (Jahre der Ratte sind z.B. immer Yang, rein mathematisch bedingt), aber Erstere variieren: 2019 war ein Jahr des Erdschweines, aber 2007 ein Jahr des Feuerschweins. Dass sich jedes Element anders auswirkt, muss ich wohl nicht weiter erklären. Denn es hängt ja, wie gesagt, alles mit allem zusammen. Bei fünf Elementen und zwölf Tierkreiszeichen ergeben sich 60 verschiedene Kombinationen, die gemeinsam den 60-Jahre-Zyklus bilden.

Außerdem bilden Yin und Yang einerseits und die Fünf Elemente zusammen zehn verschiedene Kombinationen, die sog. Himmelszweige (tian‘gan 天干), die ebenfalls in den 60-Jahre-Zyklus hineinspielen. Raucht euch der Kopf? Mir ja. Kommen wir zurück zur eigentlichen Story.

Tierkreiszeichen im Alltag

Das andere Ufer rückt immer näher. Kurz bevor das Rind festen Boden unter den Hufen hat, springt die Ratte von ihm herunter, schwimmt so schnell sie kann ans Ufer und rennt mit aller Kraft zum Jadekaiser, der sie zur Siegerin erklärt und an die Spitze des Jahreskreislaufs stellt. Ganz entspannt kann die Ratte nun zusehen, wie die anderen Tiere eintrudeln: Zunächst erscheint das Rind, etwas enttäuscht von der Ratte, aber immerhin auf einem stolzen zweiten Platz, gefolgt vom Tiger. Der vierte Platz geht an den Hasen, der nicht geschwommen ist, sondern über im Fluss liegende Steine und Baumteile gehüpft ist.

Etwas erstaunt ist der Jadekaiser vom Drachen, der es trotz seiner Stärke und seiner Fähigkeit zu fliegen nur auf den fünften Platz geschafft hat. Doch der Drache erklärt, er habe unterwegs noch einige Dörfer mit Regen beschenkt, und außerdem habe der Hase beim Hoppeln über die schwimmenden Holzstücke so verzweifelt gewirkt, dass er ihm einfach mit einem kräftigen Puster helfen musste, damit das Holz etwas schneller treibt. Immer dieser altruistische Drache, rollt die Ratte da mit den Knopfaugen und schaut auf die nächsten Ankömmlinge, die Schlange und das Pferd. Die Schlange hat sich für einen ähnlichen Move wie die Ratte entschieden und den Fluss auf dem Pferd überquert, jedoch ohne dieses vorher zu fragen. Als das schreckhafte Pferd dann an Land die Schlange entdeckte, versetzte es dieser Anblick so sehr in Panik, dass die Schlange einen Vorsprung erhielt und auf Platz sechs den Jadekaiser erreicht, während Platz sieben an das Pferd geht.

Ziege, Affe und Hahn kommen als nächste an. Sie haben ein Boot zur Flussüberquerung verwendet, das allerdings langsamer war als die meisten Tiere alleine. Das sagt auch irgendwie alles über Teamarbeit aus, denkt sich die Ratte da, hüllt sich aber lieber in Schweigen. Als vorletztes Tier erreicht der Hund, der eigentlich ein kräftiger Schwimmer, aber nunmal auch ein begeisterter Wasserspieler ist, den Jadekaiser. Auf dem zwölften und letzten Platz erreicht das Schwein das andere Ufer; es hatte unterwegs Hunger bekommen und eine kleine Einkehr vorgenommen.

Fünf Elemente hin, Himmelszweige her, kommen wir mal zurück zum echten Leben. Was bedeuten die Tierkreiszeichen im Alltag?

Ein wichtiger Aspekt sind die Charaktereigenschaften, die Menschen aufgrund ihres Tierkreiszeichens (primär des Geburtsjahres) besitzen. Um nur ein paar Beispiele zu nennen: Ratten sind kreativ, wie wir ja auch in der Legende erfahren haben. Tiger sind mutig. Hasen sind lieb. Pferde sind fleißig. Und so weiter.

Das System der Tierkreiszeichen ist auch wichtig für alle im berühmten „heiratsfähigen Alter“ (sowie deren Eltern). Denn für jedes Tierkreiszeichen gibt es wiederum andere Tierkreiszeichen, die ideale, mittelmäßige und ungeeignete Partnerinnen und Partner für diese hergeben. Ein Tiger und ein Hund? Hervorragende Idee. Ein Tiger und eine Ziege? Wenn’s denn sein muss. Ein Tiger und eine Schlange? Nichts wie weg hier. Ist wohl auch generell empfehlenswert.

Auch nicht ganz unbedeutend: Wenn das aktuelle Jahr mit dem eigenen Tierkreiszeichen übereinstimmt, bringt dies Unglück. 2020 muss also besonders auf der Hut sein, wer zum Jahr der Ratte gehört, also dieses Jahr 12, 24, 36,…Jahre alt wird. Solche Jahre heißen auf Chinesisch benmingnian 本命年. Abhilfe gibt es natürlich auch, und zwar in Gestalt von roter Kleidung, wobei rote Unterwäsche, die jemand anderes einem schenkt, hier besonders empfohlen wird.

Pro-Tipp zum Schluss: Interessiert einen das Alter einer bestimmten Person, aber man traut sich nicht nachzufragen, kann man versuchen, das Tierkreiszeichen dieser Person zu ermitteln. Die hinter der Frage „Was ist eigentlich Ihr Tierkreiszeichen?“ stehende Absicht ist vielleicht etwas trotz allem etwas zu offensichtlich; eine andere Option wäre eine genauere Betrachtung von Schlüsselanhängern, Deko oder Schmuck der Person. Taucht da besonders häufig ein Hahn oder eine Schlange auf? Das könnte alles in eine gewisse Richtung weisen.

Das zehnte Tier des Tierkreises: das Huhn oder der Hahn. Kirmes in Gejiu (Yunnan), 2012.

Oder aber man ermittelt, ob die Person immer rote Unterwäsche trägt, aber das zu bestimmen ist dann wohl doch etwas schwieriger als sich nach dem Alter oder zumindest dem Tierkreiszeichen zu erkundigen.

Aber ich schweife ab. Hat man das Tier ermittelt, muss man trotzdem grob schätzen können. Ein Beispiel: Das Tierkreiszeichen ist Hase – ist die Person also 1975 oder 1987 geboren? Es kann natürlich ungeheuer peinlich werden, wenn man die Person auf 12 Jahre älter schätzt und diese Einschätzung selbstsicher kundtut. Fingerspitzengefühl ist gefragt.

Liebe Leserschaft, das ist das System der Tierkreiszeichen. Ich hoffe ihr könnt ein bisschen was aus diesem Eintrag mitnehmen. Was ist euer Tierkreiszeichen? Und was habt ihr im Jahr der Ratte Schönes vor?

Eure sich zum Frühlingsfest ein Stück Kuchen gönnende Charlotte

Cover Image über Pixabay

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