Oder: Über Land von Deutschland nach Marokko
Liebe Leserschaft,
willkommen zurück auf dem Blog. Hier war ein bisschen Stille eingetreten, aber so ist wohl manchmal das Life. Auf jeden Fall geht es mir gut und ich zehre noch von schönen Erinnerungen an eine mittlerweile auch wieder ein paar Monate zurückliegende Reise: Marokko.
Vielleicht habt ihr schon das eine oder andere Foto auf dem Unterwegszeilen-Account auf Instagram oder Facebook entdeckt und auf diesem Wege einen kleinen Eindruck der Reise gewonnen. Aber heute soll es um einen anderen Aspekt des ganzen Unterfangens gehen, nämlich: Wie kann man Marokko von Deutschland aus per Zug und Fernbus erreichen?

Denn wie manche von euch wissen, macht mir das Fliegen sehr große Angst. Für weitere Reisen (allen voran natürlich: China) beiße ich zwar in den sauren Apfel und setze mich in ein Flugzeug. Aber wenn es sich IRGENDWIE vermeiden lässt, ist dann doch der Zug das Mittel der Wahl. Und ein Blick auf die (digitale) Karte legte nahe: Irgendwie muss es doch gehen.
Die Idee
Also begann eine etwas längere Suche auf diversen Reiseapps sowie das Anlegen und die Pflege einer umfangreichen Exceltabelle (weil ich halt so bin, wie ich bin). Erste Erkenntnis: Es ist zu schaffen und die Dauer hängt davon ab, wie eilig man es hat. Wer wirklich bereit ist, Tag und Nacht in Öffis zu verbringen, kann die Strecke sicherlich innerhalb von drei oder vier Tagen zurücklegen. Aber wer unterwegs noch den einen oder andern Ort sehen, nicht im Nachtzug schlafen und/oder ein bisschen zeitlichen Puffer einbauen möchte, der sollte wohl fünf Tage einplanen.

Zweite Erkenntnis: Viele Wege führen nach Marokko. Es gibt nicht „die“ Route, die „alle“ von Deutschland aus dorthin und wieder zurück nehmen. Natürlich hat jedes Land so seine Verkehrsknotenpunkte (beispielsweise Paris), aber was die Wahl der Route betrifft, sind die Optionen wirklich zahlreich – was natürlich Vor- und Nachteile mit sich bringt. Es erfordert also ein bisschen Planung, ein bisschen Flexibilität und viel Neugier auf die Reise.
(Kleine Anmerkung: Planung daher, dass ich mich für eine organisierte Rundreise durch Marokko entschieden hatte, was nach wie vor die richtige Entscheidung war, aber ein bestimmtes Startdatum bedeutete, das es natürlich nicht zu verpassen galt. Wer das nicht hat, kann so eine Reise vielleicht noch entspannter antreten.)

Dritte Erkenntnis: So ein Vergnügen ist sehr teuer. Alleine manche Nachtzüge kosten über hundert Euro für eine Strecke. Was da helfen kann, ist ein Interrail-Pass. Da gibt es verschiedene Modelle, und je nach Reisedauer, Anzahl der Länder und Saison variiert der Preis. Meiner kostete für 10 Reisetage in einem Zeitraum von 2 Monaten insgesamt 358 Euro. Immer noch viel Geld, aber 35,80 Euro für einen Reisetag sind dann doch wieder ganz in Ordnung.
Die Reise
Zwischen Marokko und Deutschland liegen je nach Start- und Endpunkt zwei- bis dreitausend Kilometer Luftlinie. Ganz schön viel Strecke, die aber dank guter Infrastruktur und (bis auf – Klischee, ich weiß – Deutschland) zuverlässiger Züge und Busse leicht zu stemmen ist.
Und die ein wahrer Genuss ist! Auf einer Reise über Land gibt es so viel Landschaft zu genießen, Zwischenstopps einzulegen (ein Tag in Paris? immer gerne) und einfach abzuschalten. Diese Art zu reisen ist einfach ungeheuer entschleunigend und vermittelt zugleich ein Gefühl für die zurückgelegte Entfernung – sowie dafür, dass wir eigentlich alle miteinander verbunden sind, so esoterisch das nun auch klingen mag.

Natürlich ist es nicht immer alles rosig. Ein Flug dauert natürlich deutlich kürzer und spart im Zweifel (leider) auch Geld gegenüber einer Landreise. Und wer nicht mit dem Auto fährt, wird viel Zeit mit Warten an Bahnsteigen, Bahnhöfen und Fähranlegern verbringen.
Aber gut. Es war eine tolle Erfahrung, ungeheuer erholsam und irgendwie auch lehrreich. Eingangs hatte ich ja erzählt, dass viele Wege nach Marokko und auch wieder zurück führen. Nichtsdestotrotz möchte ich hier einmal die Route wiedergeben, die ich genommen habe, vielleicht dient sie ja als Inspiration.
Der Hinweg
Tag 1: ICE nach Köln, Eurostar von Köln nach Paris Nord (zwischendrin noch DB-Chaos, ohne geht es wohl nicht). 1 Nacht in Paris
Tag 2: Tagsüber Paris-Erkundungen, dann abends Nachzug nach Toulouse, und die Erkenntnis, dass man bei Interrail in Nachtzügen offenbar nur Sitzplätze und keine Liegen bekommt (c’est la vie)
Tag 3: Morgens Ankunft in Toulouse und Fahrt im Bus von Toulouse nach Andorra la Vella. Nachmittag und Abend in Andorra la Vella.
Tag 4: GANZ FRÜH Bus nach Lleida. Von dort AVE nach Málaga und von Málaga wieder ein Bus nach Algeciras. Abendspaziergang durch Algeciras (römische Ruinen!)
Tag 5: Fähre von Algeciras nach Tangier Med, Taxi zum Bahnhof von Tangier Ville, von dort Al-Boraq zum Bahnhof Casa Voyageurs (=Casablanca).

Und dann ist es geschafft!
Der Rückweg
Tag 1: Zug von Marrakesch nach Casa Voyageurs, von dort Zug nach Tangier, chillen in Tangier.

Tag 2: Fähre von Tangier Ville (im Übrigen deutlich praktischer als Tangier Med) nach Tarifa, dann Bustransfer nach Algeciras. Anschließend AVE von Algeciras nach Madrid Puerta de Atocha.
Tag 3: Madrid genießen!
Tag 4: Zug von Madrid nach Nîmes, Nachtzug von Nîmes nach Paris (nicht ohne sehnsuchtsvollen Blick vom Gleis in Nîmes auf ein gigantisches Schild „Hostel Bed 20 €“)

Tag 5: Morgens Ankunft in Paris-Austerlitz, dann den Tag in Paris verbringen, abends TGV nach Strasbourg. Von Strasbourg Zug nach Offenburg.
Und schon sind wir wieder in Deutschland! Von Offenburg gibt es z.B. einen Nachtzug nach Hamburg.
Zum Schluss noch ein paar Tipps
Ihr Lieben, ich hoffe dieser kleine Einblick hat euch gefallen. Wie man am liebsten reist, ist natürlich von Mensch zu Mensch verschieden – für mich war diese Form ideal. Denn es gibt unterwegs so viel zu sehen und zu entdecken, und ehrlich gesagt sind diese jeweils fünf Tage eigentlich auch schon viel zu schnell. Nîmes hätte ich mir beispielsweise gerne noch angesehen, Málaga ebenso, eventuell auch Gibraltar und überhaupt Südspanien. Aber nach der Reise ist vor der Reise und es ist immer schön, nächste Ziele vor Augen zu haben.
Daher wäre wohl mein erster Tipp: kein FOMO in Bezug auf Städte entwickeln, an denen man bloß umsteigt, sondern das genießen, was man sehen kann.

Zweiter Tipp: Interrail an und für sich ist super, aber die App kann einen in den Wahnsinn treiben, weshalb ich eine große Portion Geduld für sie empfehlen würde. Merkt euch, wo was ist, denn intuitive Bedienung ist hier weniger angesagt. Und falls ein Zug als ausgebucht angezeigt wird, ladet die Seite mehrmals neu, auch bei den nächsten Buchungsschritten.

Und dritter und letzter Tipp: Beim Gepäck gut überlegen. Die alte Weisheit „Travel light“ gilt wohl auch hier. Aber gleichzeitig gibt es einige Gegenstände, die nicht fehlen sollten:
- Beschäftigung! Bücher, Zeitschriften, Rätselhefte, …
- Lärmschutz: Ohrstöpsel oder Noise Cancelling Kopfhörer
- Wärme für kalte Nachtzüge: Fleecedecke oder (noch besser) Schlafsack
Seid ihr eher Team Flugzeug oder Team Zug/Bus? Habt ihr Storys von Zugreisen? Ich würde mich freuen, sie zu hören!
Eure nie ohne Ohrstöpsel reisende Charlotte