Oder: In den Bergen Orangen essen
Liebe Leserschaft,
wer ab und an den Blog liest, wird festgestellt haben, dass eine gewisse Stille eingekehrt war: Ich war verreist. Denn am 1.10.1949 gründeten die Kommunisten nach langem Kampf gegen die Kuomintang die Volksrepublik China und 65 Jahre später versetzt dies das Volk in Rausch – einen Reiserausch, denn alle (ALLE! 1,3 Milliarden) haben eine Woche Ferien. Dass das mit einem gewissen logistischen Chaos verbunden ist, dürfte nicht weiter erstaunen, wer sich nicht mit einer Woche Nahrungsvorräten zuhause verbarrikadieren will, muss sich also ein Reiseziel suchen, das nicht völlig überlaufen zu sein droht. Unsere Wahl fiel auf Ailaoshan, ein Gebirge gar nicht so weit von Kunming, in dem es im Prinzip endlos viel zu sehen gibt, die Artenvielfalt ist überwältigend und überhaupt wartet das Naturschutzgebiet mit Wasserfällen, Urwald und tollen Bergen auf. Und Yunnan wäre nicht Yunnan, wenn es dort nicht eine coole indigene Gruppe gäbe, in diesem Fall die Huayao-Dai.
Wir verbrachten also einen Tag in diversen Zügen, Bussen und Rikschas und erreichten abends unser Ziel, die Stadt Gasa am Fuße des Gebirges. Trotz des (angeblichen) Reisewahns hatten wir bislang nie Probleme, vor Ort eine erschwingliche Unterkunft zu finden, und so auch hier nicht. Gasa ist ein ganz netter, angenehm warmer Ort, allerdings steht er dann doch (sprichwörtlich) im Schatten des Ailaoshan-Gebirges, dessen Erkundung wir dann am nächsten Tag vornahmen. Den öffentlichen Bus hatten wir verpasst (Langschläferin…ups), also heuerten wir einen Motorradfahrer an, der uns zu einem Wasserfall fuhr. Das Ganze war durchaus beeindruckend und groß und irgendwie schön (Bilder folgen…grüner Wald, brausender weißer Wasserfall, ringsum war es etwas nebelig, wir befanden uns so ziemlich in der Wolkendecke) und ermunterte uns dazu, das Gebirge noch etwas weiter zu erkunden, nur fuhr in dem Moment die Polizei bergauf vorbei, wo unser nächstes Ziel gelegen hätte. Es war nicht so ganz legal, dass unser Fahrer zwei Leute auf seinem Motorrad mitnahm, von daher half alles nichts (zumal wir ohne Pässe reisten, meiner war IMMER NOCH beim Ausländeramt) und es musste ein neues Ziel her: Auf zu einer Orangenplantage!
Diese etwas unverhoffte Planänderung (naja…“Plan“…) war ein echter Glücksgriff, ich habe noch nie so leckere Orangen gegessen, wunderbar frisch und gleichzeitig angenehm sauer und zuckersüß. Es war ein sehr schöner Nachmittag, der obendrein sehr gechillt war und die Bäume boten kühlen Schutz vor der prallen Sonne. Ich habe mich zum ersten Mal an Orangen SATT gegessen.
Schließlich fuhren wir weiter zu etwas, was ein bisschen nach einer Touristenfalle aussah, nämlich einer Bühne für Dai-Tänze, die allerdings erst abends ihren Betrieb aufnahm. Und so gönnten wir uns ein leckeres Mittagessen in der Nähe und spazierten dann zurück nach Gasa. Der Pfad führte durch Reisfelder und entlang eines kleinen Baches. (Wie gesagt, Bilder folgen)
Die Huayao-Dai gehören zu den Dai, die v.a. in Yunnan leben. Ethnisch wie linguistisch sind die Dai mit den Thai verwandt. Die Dai sind ein recht spannendes Volk, dass eine wirklich leckere Küche hervorgebracht hat, angenehm scharf und irgendwie erfrischend, aber es würde jetzt zu weit führen, das alles aufzuzählen. Die meisten Dai sind Buddhisten, aber die Huayao-Dai stellen („traditionell“) eine Ausnahme dar, denn der Buddhismus überwand nie den Ailaoshan, und so gelten die dort lebenden Huayao-Dai als Anhänger des Schamanismus.
Am nächsten Tag dann starteten wir den nächsten Versuch, mehr vom Ailaoshan zu sehen und standen in aller Herrgottsfrühe auf, um mit dem Bus auf den Berg zu fahren. Unglücklicherweise waren wir nicht die einzigen mit diesem genialen Einfall und die Tickets für die frühen Busse waren ausverkauft. Also warteten wir eine Weile auf dem Busbahnhof und fuhren gegen zehn mit dem Bus auf den Berg. Ursprünglich wollten wir uns eine Schlucht ansehen, nur fuhr (ich habe noch nicht so ganz begriffen, wie das möglich ist) der Busfahrer versehentlich an der entsprechenden Haltestelle vorbei, ohne anzuhalten und fragte kurze Zeit später, ob da etwa jemand hätte aussteigen wollen, worauf die zwei Ausländer sich meldeten. Machte aber nix, wir stiegen dann an der nächsten Haltestelle aus und sahen uns eben den Teepferd-Pfad (Zungenbrecher?) an, eine andere Attraktion Ailaoshans. Entlang dieses Weges kraxelten früher die Pferde, die – wie der Name verrät – Tee aus dem Süden Chinas in den Rest des Landes transportierten, heute kraxeln hier die Touristen. Der Weg führte durch den Wald und war nicht sonderlich schwer zu laufen. Unterwegs trafen wir ein paar Chinesen, die Früchte pflückten und uns schenkten, die allerdings nicht zum Verzehr geeignet sind (so ganz haben wir noch nicht bestimmen können, worum es sich da genau handelt) und anscheinend kann man hier und da Ruinen aus Teepferd-Zeiten bestaunen, nur fiel uns da auf, dass wir zurückmussten, denn der Bus fuhr bald. Ups.
Einen dritten Tag Ailaoshan gönnten wir uns dann doch nicht, es war mit dem richtigen Ausbruch der Feiertage dann doch recht touristisch geworden (der Hotelpreis hatte sich mehr als verdoppelt) und überhaupt beschlossen wir, vielleicht einen Wochenendausflug diesem Ort zu widmen. Und so gingen wir zum Busbahnhof, sahen uns die Liste der angefahrenen Ziele an, und entschieden aus dem Bauch heraus, wohin uns die Reise als nächstes führte, und zwar nach Mosha, aber mehr dazu im nächsten Eintrag.
Ailaoshan kann ich als Ziel wirklich empfehlen, es ist ein schöner Ort, an dem es viel zu sehen gibt. Wichtig: den richtigen Bus erwischen!
Eure irgendwie die Orangen vermissende Charlotte
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