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Ruhiges Mosha

Oder: Ein Touristendorf war auch noch da

 

Liebe Leserschaft,

Nach dem Aufenthalt in Ailaoshan war uns nach einem Tapetenwechsel und so fiel unsere Wahl auf Mosha, einen kleinen Ort am Fuße des Gebirges. Mosha gefiel uns ziemlich gut, es geht hier eher dörflich zu, allein vom Hotelfenster aus sah man einen Bach und subtropisches Gehölz, außerdem traf man auf der Handvoll Straßen Moshas auf diverses landwirtschaftliches Getier. Und diese Ruhe, diese Gemächlichkeit! Eilig hatte es hier niemand. Ein ganz angenehmer Kontrast zu Gasa, wo unser Hotel und alle wichtige Infrastruktur an einer Hauptverkehrsader lag, auf der in Deutschland wahrscheinlich als historisch wertvoll eingestufte Gefährte auf- und abfuhren. Abends wurden wir von einer Karaoke-Bar beschallt. Auch wer wie wir einen halbwegs tiefen Schlaf hat, weiß abendliche Stille dann doch irgendwie zu schätzen, und von einem Hahn geweckt zu werden ist allemal angenehmer als von einem knatternden Motor.

Wir kamen also abends aus Gasa an, suchten Obdach und wurden dann trotz „später“ Stunde (20 Uhr?) von einer gewissen Stadterkundungslust befallen. Ob sich hier so etwas wie eine Bar finden ließe? Viel mehr schien abends nicht zu unternehmen zu sein. Wir sahen uns also die Straße, auf der sich das Hotel befand, genauer an und fanden geschlossene Läden, (leere) KTVs (Karaoke) und einen ebenso leeren, rotbeleuchteten Massagesalon. Ein KTV-Betreiber verwies uns schließlich an eine Bar auf der anderen Seite der (leeren) Straße, die wir dann auch aufsuchten. Überraschung: leer. Macht nix. Die Kellnerin war etwas verdutzt über die Kundschaft, servierte dann aber freundlich halbwegs kühles Bier. Und so saßen wir in einer sehr geschmackvoll eingerichteten Bar (Blumentapete mit Glitzervorhängen) und fragten uns, ob hier schon alle Bürgersteige hochgeklappt waren oder ob die Jugend Moshas erst gegen neun um die Häuser zog. So oder so, es war sehr gechillt. Wann das Mosha’er Nachtleben so richtig losgeht, werden wir wohl nie erfahren, denn wir mussten früh nach Hause, schließlich stand am nächsten Tag die Besichtigung des Restes Moshas an.

Das Internet empfahl uns für Mosha den Besuch eines Huayao-Dai-Dorfes in der Nähe, und so fanden wir einen Motorradfahrer, der uns dorthin brachte. Offensichtlich war das Ganze für die Entwicklung der lokalen Tourismusindustrie gedacht, nur irgendwie sahen wir keine Touristen. Jedenfalls begrüßten uns vor Bambushütten Menschen in bunten Trachten, die Schmuck und Snacks verkauften, und wenn die Ticketbude nicht wie ausgestorben gewesen wäre, hätten wir wohl Eintritt zahlen müssen. Trick 17: die ausgetretenen Pfade verlassen! Das war in einem Dorf dieser Größe ziemlich leicht (die Präsenz eines ZIEMLICH GROSSEN HUNDES beschleunigte diesen Vorgang für mich etwas) und wir spazierten an Souvenirständen vorbei in Richtung des „normalen“ Teiles des Dorfes, wo die Lage schon etwas anders aussah, ziemlich simple Behausung und eine gleichzeitig wirklich schöne Landschaft, bestehend aus Reisfeldern, Bananenstauden und in der Ferne thronenden tiefgrünen Bergen. Wir schlenderten also durch die Reisfelder und sahen unterwegs kunterbunte Schmetterlinge, ein echsenartiges Tierchen und natürlich neugierig tapsende Hühner der Bauern. Schließlich erreichten wir einen schnell fließenden, rostroten Fluss (bei dem es sich laut neu erworbenem Yunnan-Atlas um den Mosha-Fluss handelte), ließen uns dort ein Weilchen nieder und traten schließlich den Rückweg an.

Tourismus-Dörfer sind immer so eine Sache. Einerseits leben die Bewohner (zumindest teilweise) davon, dass Touristen sich von der vermeintlichen Exotik einnehmen lassen und ohne so recht zu wissen, wie ihnen geschieht, Huayao-Dai-Dekoration erwerben. Auf eine bestimmte Art und Weise sind sie davon abhängig (gemacht worden), dass Ortsfremde sie faszinierend finden. Andererseits…irgendwie…ist das das Wahre? Fährt man von Kunming bis nach Mosha, um sich letztlich einen Zirkus anzusehen? Und haben es die Bewohner nicht auch irgendwie verdient, dass man sich als Besucher wirklich für den Ort interessiert? Ich weiß es nicht.

Wir chillten dann noch eine Runde auf dem Schulhof der Mosha-Grundschule (es waren ja Ferien, von daher war er…leer), sahen uns die große Tafel mit den zugelassenen Frisuren für Jungen und Mädchen an und holten dann unsere Siebensachen von dem Hotel ab. Die einzige Person, die es in Mosha jemals eilig hatte, war das allerdings schon etwas betagte Zimmermädchen (naja…Zimmer“dame“?), die um Punkt eins an besagtes Zimmer klopfte und nach „youchi“ verlangte. Wir verstanden es nicht so ganz, auf Mandarin klang es so, als bat sie um etwas zu essen (Youchi? 有吃?) und ich war drauf und dran in meiner Tasche nach den letzten Keksen zu kramen, bis wir merkten: Die gute Dame war wunderbar satt und brauchte den Schlüssel (yaoshi 钥匙).

Überhaupt, der Dialekt. Ich kämpfe schon mit dem Kunminger Dialekt, aber in kleineren Orten habe ich ganz schlechte Karten. Ein Bachelor in Sinologie, HSK 5 und wasweißich helfen da rein gar nicht. Irgendwie haben wir uns aber linguistisch durchgeschlagen, irgendwie ist es ja doch verwandt (siehe youchi/yaoshi), irgendwie haut ja immer alles hin.

Eure seit Mosha tiefenentspannte Charlotte

 

Cover Image über Pixabay

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