Unsere Heldin, nennen wir sie Christine Lisa Meier, möchte ihre neue Bankkarte von einer Kunminger Bank abholen, denn leider hat sie ihre ehemalige Karte vor der Rückkehr nach Kunming in ihrem kalten Heimatland vergessen. Im ersten Anlauf scheiterte es daran, dass in ihrem Pass noch nicht die Aufenthaltsgenehmigung klebte, und diese zu ergattern, dauerte seine Zeit – nach zwei Monaten steht Christine bewaffnet mit vollgekleistertem Pass, Kontonummer und dem schon verblassendem Zettel vom letzten Versuch am Schalter der Bank. Es ist China, Bankmitarbeiter und Kunden trennt eine Glasscheibe, die Kommunikation erfolgt lauthals über ein rauschendes Mikrofon. Alles easy.
Auslandsstudentin: (wird aufgerufen, geht zu dem Schalter. Das Namensschild des Mitarbeiters weist ihn als Praktikanten aus. Jackpot.) Nihao, ich möchte meine neue Bankkarte abholen. Ich habe mittlerweile eine Aufenthaltsgenehmigung, die fehlte, als ich das letzte Mal hier war.
Bankmitarbeiter: (etwas eingeschüchtert…eine Ausländerin. Jackpot. Packt sein bestes Mandarin aus.) Nihao, haben Sie Ihre letzte Karte verloren?
Auslandsstudentin: Äääh…naja, ich bin nach Hause gefahren und habe meine Karte versehentlich dort liegen lassen. Hier ist die Kontonummer, das ist mein Pass mit der Aufenthaltsgenehmigung, und diesen Zettel hat man mir gegeben. (reicht die Dokumente umständlich unter der Glasscheibe durch).
Bankmitarbeiter: (hält den Zettel schräg ins Licht) Halt…Sie waren vor…zwei Monaten hier? (blickt leicht verdutzt über den Rand seiner Brille durch die Scheibe zu der leicht verlegenen Studentin, der man vor zwei Monaten gesagt hatte, in drei Werktagen zurückzukehren).
Auslandsstudentin: Naja….es dauerte mit der Aufenthaltsgenehmigung….
Bankmitarbeiter: Öhm, ok. (blättert lange durch den Pass und findet die entsprechende Seite.) Ist das Ihre neue Genehmigung? (hält eine Seite hoch)
Auslandsstudentin: Ja, genau.
Bankmitarbeiter: (holt einen Zettel hervor) Kein Problem. (ist Herr der Lage) Bitte schreiben Sie in dieses Feld Ihren Namen und unterschreiben Sie unten rechts. (sucht in der Zwischenzeit in seinem Computer nach der Kontonummer).
Auslandsstudentin: (empfängt den umständlich unter der Scheibe hindurchgeschobenen Zettel. Gibt ihren Namen mit „Meier Christine“ an und unterschreibt mit „Chr. Meier“. Schiebt den Zettel umständlich zurück.)
Bankmitarbeiter: (empfängt umständlich Zettel. Blickt dann lange zwischen Computer und Zettel hin und her. Runzelt die Stirn in immer tiefere Falten.)
Auslandsstudentin: (fragt sich, was sie um alles in der Welt falsch gemacht haben kann.)
Bankmitarbeiter: Nihao, Sie haben Ihren Namen geändert, oder?
Auslandsstudentin: Äähm…nein.
Bankmitarbeiter: (blickt vom Computer zu der Auslandsstudentin, hält schließlich den zuvor ausgefüllten Zettel hoch, deutet auf das „Meier“.) In unserem Computer ist das Ihr einziger Name.
Auslandsstudentin: Ja, das ist mein Nachname.
Bankmitarbeiter: Hmmmja…wir brauchen allerdings Ihren vollständigen Namen. (schiebt umständlich den Zettel zurück.) Bitte ändern Sie das mal.
Auslandsstudentin: (ist sich nicht ganz klar, wie sie mit dieser Anweisung umgehen soll. Sie heißt doch Christine Meier. Streicht schließlich das „Chr.“ vor der Unterschrift weg. Schiebt umständlich den mittlerweile zerknitterten Zettel zurück.)
Bankmitarbeiter: Okayyy….Einen Moment. (stellt das Mikrofon ab, ruft seine Vorgesetzte herbei. Vorgesetzte und Mitarbeiter diskutieren eine Weile, zeigen auf Zettel und Computer. Die Vorgesetzte verschwindet.) Nihao, was genau ist jetzt ihr Name?
Auslandsstudentin: Mein Nachname ist Meier. Mein Vorname ist Christine, so wie ich es auf den Zettel geschrieben habe. (fühlt sich irgendwie interkulturell unsensibel. Das hätte sie irgendwie eleganter anstellen können…vielleicht. Wie hätte sie ihren Namen und ihren Pass an das chinesische Namenssystem anpassen können?)
Bankmitarbeiter: Okay. (blickt seufzend in seinen Rechner. Blättert im Pass. Stutzt. Hält die Aufenthaltsgenehmigung hoch). Nihao, hier steht, dieser Name? (deutet auf „Meier Christine Lisa“).
Auslandsstudentin: Mjaaa….das ist noch ein Name von mir.
Bankmitarbeiter: Noch ein Name…(blättert wieder im Pass. Sch***praktikum.) Und…auf diesem Touristenvisum steht das hier? (deutet auf „C. Meier“)
Auslandsstudentin: Jaa….das ist eine andere Schreibweise. (schämt sich, irgendwie).
Bankmitarbeiter: (sieht die Studentin aus großen Augen an. Blättert nicht weiter, wer weiß, wie viele Namen sich noch in diesem Teil verbergen. Ruft seine Vorgesetzte.)
Bankmitarbeiter und Vorgesetzte: (haben das Mikrofon abgestellt und zeigen zwischen Zettel, Computer und Aufenthaltsgenehmigung hin und her. Leicht verwirrte Minen.)
Vorgesetzte: (verlässt den Praktikanten wieder. Der packt das schon…irgendwie.)
Bankmitarbeiter: Nihao, anscheinend wurde Ihr Name vor zwei Jahren falsch in unser System eingetragen. Wir brauchen diesen hier. (hält wieder die Aufenthaltsgenehmigung hoch und deutet auf „Meier Christine Lisa“.) Es tut uns sehr Leid, aber Sie müssen dieses Formular ausfüllen, dass Sie Ihren Namen geändert haben…sozusagen. (schiebt umständlich ein neues Formular unter der Scheibe durch).
Auslandsstudentin: Okay. (schreibt in den leserlichsten Buchstaben, die sie zustande bringt, „MEIER CHRISTINE LISA“ in die Spalte „Vor- und Nachname“.)
Bankmitarbeiter: (ruft den Sicherheitsmann herbei, der zugleich als Kopierfritze fungiert.) Bitte kopier‘ einmal das hier (zeigt auf die Hauptseite im Pass), das hier (blättert zu der Aufenthaltsgenehmigung), das hier (blättert zu einem abgelaufenen Touristenvisum) und das hier (blättert zu einem weiteren abgelaufenen Touristenvisum). Okay?
Sicherheitsmann: (legt den behelmten Kopf schief). Ja….ok.
Bankmitarbeiter: (hat in jede der zu kopierenden Seiten einen Finger gelegt. Schiebt den Pass umständlich unter der Scheibe durch.)
Sicherheitsmann: (empfängt umständlich den Pass, friemelt seine Finger in die richtigen Seiten.) Also, das hier, das hier, das hier, das hier?
Bankmitarbeiter: Nein, das letzte nicht, das muss eine Seite weiter….
Sicherheitsmann: Wo genau? Das hier?
Bankmitarbeiter: Äääh…ich denke schon.
Auslandsstudentin: (tut etwas, was sie sonst nie tut, nämlich eingreifen.) Nihao, das sind abgelaufene Touristenvisa…
Bankmitarbeiter: Ja, wir brauchen die.
Auslandsstudentin: Alles klar.
Sicherheitsmann: (verschwindet, Finger konzentriert zwischen die Seiten klemmend zum Kopierer. Kehrt nach kurzer Zeit zurück und schiebt alles umständlich unter der Scheibe durch.)
Bankmitarbeiter: Danke. Sehen Sie, auf diesem Visum steht „C. Meier“. Deshalb brauchen wir das.
Auslandsstudentin: Achso, na dann. (kann sich darauf überhaupt keinen Reim machen, aber das macht ja nichts.)
Bankmitarbeiter: (schiebt den Pass umständlich unter der Scheibe hindurch zurück.) Das dauert jetzt ein bisschen, kommen Sie bitte in drei Werktagen wieder. (Blickt auf den ganz oben liegenden Zettel vom ersten Anlauf vor zwei Monaten) Später geht aber auch.
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