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QR-Code für einen Museumsbesuch in Nanjing

Was sich in China verändert hat (und was gar nicht)

Oder: Es gibt mehr Züge und weniger Websites

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Liebe Leserschaft,

letzten Sommer war ich in China, und es war wundervoll – ich zehre immer noch von der Zeit und von den Eindrücken dort. Denn es waren einfach mal fünfeinhalb Jahre vergangen (FÜNFEINHALB! JAHRE!). Vieles war anders geworden, vieles war gleich geblieben – und darum geht es im heutigen Eintrag.

Hier mal ein natürlich unvollständiges, wie immer subjektives Listchen der Veränderungen.

  • Kontaktaufbau: Nach wie vor ist es leicht, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, aber die Zeiten, als alle mit dem oder der laowai (Ausländer, Ausländerin) befreundet sein wollten, sind wohl längst vorbei. Was mir echt aufgefallen ist (und was sicherlich nicht länderspezifisch ist): Leute in Hostels sind viel verschlossener geworden, sogar in den Schlafsälen. Ich schiebe es auf die Handys, an denen alle abends hängen, aber wer weiß. Vielleicht hängt es auch irgendwie mit der geringeren Anzahl Menschen aus dem Westen zusammen, aber dazu gleich noch ein paar Worte.
So oder so schön: Hostel in Kunming
  • Campuszugang: Einen Unicampus zu betreten, ist deutlich umständlicher als früher. Die Praxis der Eingangskontrolle, zuvor nur an den absoluten Elite-Unis anzutreffen, hat zumindest meine drei ehemaligen Universitäten nun auch erreicht, offiziell wohl ein Relikt aus Pandemiezeiten: An der Yunnan University musste man sich nur auf einer Liste eintragen. Die Tore der Kunming University of Science and Technology waren ohne Uni-Ausweis einfach gar nicht zu durchqueren. Und den Campus der Nanjing University konnte man schon betreten, allerdings nach vorheriger Anmeldung am Vortag (die ich natürlich nicht vorgenommen hatte). Aber immerhin habe ich eine von drei Unis besuchen können, das war schön.
Gut abgesichert: Die Kunming University of Science and Technology
  • Anmeldungen: Überhaupt – das Anmelden. In Peking und teilweise in Nanjing ist die Besichtigung sehr vieler Sehenswürdigkeiten nur nach Anmeldung per WeChat möglich. An den anderen Orten meiner (wirklich schönen) Reise gab es immer noch eine Tageskasse, ich hoffe sie bleibt noch lange erhalten.
Nur nach Registrierung am Vortag zu besuchen: die Verbotene Stadt. Für alle mit spontanen Besuchesplänen also doppelt verboten.
  • Mobiles Bezahlen: Wenig überraschend – man zahlt in China nun zumindest theoretisch alles per Handy. Zugleich ist es nach wie vor möglich, bar zu bezahlen, und ab und an beobachtet man das auch noch. Mangels Bankkonto musste ich immer mit Bargeld hantieren, was mitunter Umstände bereitete, aber eigentlich nie ein allzu großes Problem war. (Die good ole Kartenzahlung wurde in China ohnehin fast nie praktiziert, man ging mehr oder minder direkt vom Bargeld- zur Handyzahlung über)
  • Taxis: Ähnlich sieht es mit Taxis aus – die gängige Praxis ist jetzt das Bestellen von Taxis per Apps à la Uber, wobei das klassische Ranwinken an der Straße weiterhin möglich ist. Aber auch das geschieht seltener und man sieht einfach weniger Taxis und muss etwas länger warten. Ich bin gespannt, wie sich das noch entwickeln wird.
  • Zugnetz: Das Zugnetz hat mich schon etwas geflasht. Vor allem in Yunnan gibt es so viel mehr Bahnhöfe und Strecken, außerdem kann man nun per gaotie 高铁 (Hochgeschwindigkeitszug) zu so vielen Orten fahren, das ist echt beeindruckend. Die Strecke von Kunming nach Dali, noch vor wenigen Jahren eine Fahrt mit dem Nachtzug, ist nun innerhalb von wenigen Stunden per gaotie zurückgelegt. In dieser Hinsicht hatte ich während der fünfeinhalb Jahre China-Abstinenz echt hinterm Mond gelebt.
neu gebauter Bahnhof in Yuanmou 元谋
  • Zugtickets: „Früher“, d.h. vor ein paar Jahren, gab es in chinesischen Städten die sogenannten Verkaufspunkte (daishouchu 代售处) der chinesischen Eisenbahn – so kleine Butzen, in denen man Tickets kaufen oder auch abholen konnte, denn ein Papierausdruck war auch bei einer Online-Buchung erforderlich. Wie ich relativ früh feststellen musste, gibt es die Verkaufspunkte nicht mehr. Wieder bereitete der Mangel eines chinesischen Bankkontos gewisse Probleme, sodass ich entweder immer jemanden bitten musste, das nächste Zugticket per App für mich zu besorgen, oder dasselbe über Drittanbieter kaufte, die natürlich Buchungsgebühren veranschlagen. Nix zu machen. Die dritte Option, das Kaufen am Bahnhof, ist zwar die kostengünstigste, aber je nach Tageszeit auch die anstrengendste.
  • Internetzensur: Das Internet wird viel strenger kontrolliert als noch vor ein paar Jahren. Bei meiner allerersten Chinareise waren fast alle Websites außer YouTube und Facebook zu erreichen, aber mittlerweile ist es echt schwer, englischsprachige Seiten aller Art aufzurufen, von Apps wie WhatsApp, Gmail oder Telegramm mal ganz zu schweigen. Mein VPN funktionierte auch echt so gar nicht (ich nenne mal keinen Namen, aber es enthält den Namen einer Himmelsrichtung), und ohnehin benutzt man, wie ich später erfuhrt, wohl gar keine VPNs mehr, sondern…irgendwas Anderes. Technik.
  • Handynummer: Für so vieles benötigt man nun eine chinesische Handynummer, allem voran WLAN-Zugänge oder App-Registrierungen. Immerhin war es leichter als erwartet, eine chinesische SIM-Karte zu erhalten (nur diverse Reisepasspräsentationen, mehrere Unterschriften und Wartereien bei China Mobile).
  • Trends: So futuristisch nun auch manches vielleicht klingen mag – die ganz große Technikutopie (oder -dystopie) ist China nun bei Weitem noch nicht, vor allem nicht aus Sicht dieser ausländischen Verbraucherin. Man kann natürlich per Gesichtsscan ein Metroticket kaufen, aber man kann auch (noch) durch eine Metrostation laufen und den einzigen Ticketautomaten, der Bargeld annimmt, suchen (so geschehen in Shanghai).
Ein Getränkeautomat mit Gesichtsscanner in Peking – das Gesicht ist mit einem WeChat- oder Bankkonto verknüpft
  • Tourismus: Gerade in Yunnan boomt nach der Pandemie nun wieder der Inlandstourismus. Ausländische Touris aus dem Westen und anderswo trifft man selten (so zumindest mein subjektiver Eindruck), aber auch das wird sicherlich irgendwann wieder anziehen.
  • Städtebau: Wie es halt immer so ist – manche Straßenzüge haben sich in den letzten Jahren kaum verändert, manche sind hingegen nicht wiederzuerkennen. Darunter das Haus, in dem ich 2012/13 gewohnt habe: Es wurde schlichtweg abgerissen. Es ist wohl einfach der Lauf der Dinge.
  • Verhandeln: Es wird an Straßenständen und auf Märkten weniger verhandelt. Was früher noch an eine Kunstform grenzte, geradezu eine Kulturtechnik war, ist heute durchaus noch anzutreffen, hat aber (meinem Eindruck nach) sehr abgenommen. Preise stehen oft einfach fest, eventuell gibt es noch Mengenrabatt, aber das richtige Verhandeln über einen Preis ist viel weniger geworden. Mir ist das durchaus recht, allein schon aus Gründen der Zeitersparnis 😀

Aber eigentlich viel wichtiger – was ist gleich geblieben? Nun, vieles!

  • die Gerüche!
  • das Essen!
  • …und die Liebe zum Essen
Feuertopf mit pengyous in Chengdu
  • der chinesische Pragmatismus, den ich seit jeher wirklich schätze
  • die vielen Katzen
Katze bei einem Nickerchen im Taiping Heavenly Kingdom Museum in Nanjing
  • die Wuseligkeit der Straßen, der Märkte, der Einkaufszentren, mitunter auch der Parks
Reges Treiben am Bahnhof Kunming South
  • meine pengyous, die natürlich alle ein paar Jahre älter geworden sind aber trotzdem noch sie selbst sind
  • die große Freude, in China zu sein; das Gefühl, irgendwie ein kleines Stück Zuhause zu erleben.

Übrigens: Wer sich für weitere Dinge interessiert, die sich in den letzten Jahren nicht verändert haben, kann sich gerne mein Reel über „Chinese objects“ anschauen!

Es war herrlich, wieder dort zu sein, und ebenso wohltuend. In den kommenden Einträgen möchte ich ein bisschen über die Stationen der Reise durch China und Taiwan schreiben. Bleibt gespannt!

Eure mit ihrer Reise sehr zufriedene Charlotte

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